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Mittwoch, 20. November 2024

Deutsch-iranische Wirtschaftsbeziehungen

STOP THE BOMB, 27. September 2009 (letztes update: Oktober 2012)

Deutschland ist seit langer Zeit einer der wichtigsten Handelspartner des Iran. Eine führende Position erlangten deutsche Firmen im Iran schon vor der Revolution im Jahr 1979 und konnten diese in den vergangenen Jahren trotz einiger Höhen und Tiefen durchgehend halten. Erstmals seit Jahren sind die deutschen Exporte in den Iran im Jahr 2011 gesunken. Deutschland ist trotzdem auch 2012 mit Abstand der größte europäische Exporteur in den Iran und ist im ersten Halbjahr für knapp 1/3 aller europäischen Exporte in den Iran verantwortlich. Zwischen Januar und August 2012 exportierte Deutschland Waren im Wert von 1,6 Mrd. Euro in den Iran. Im Jahr 2011 betrugen die deutschen Exporte insgesamt rund 3,01 Mrd. Euro, im Jahr 2010 ca. 3,8 Mrd. Euro. [1] Im Juli 2009 gab Germany Trade & Invest, die Gesellschaft für Außenwirtschaft der Bundesregierung, bekannt, dass Deutschland nach den Vereinigten Arabischen Emiraten weltweit an Platz 2 der Exporteure in den Iran steht, sogar noch vor China:


Ein großer Teil der Lieferungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in den Iran sind Re-Exporte u. a. aus Deutschland.[2] Deutsche Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate betrugen im Jahr 2011 nach Angaben von Eurostat 7,4 Mrd. Euro.

In der weltweiten Wirtschaftskrise 2009 zeigte sich, wie stabil die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen sind. Während die deutschen Exporte insgesamt um 18,8% zurückgingen, fielen die Exporte in den Iran um lediglich 5,3%.

Deutsche Firmen im Iran: Die deutsch-iranische Handelskammer AHK Iran hat rund 2.000 Mitglieder. Selbst im November 2011 wirbt sie auf ihrer Webseite noch damit, dass sie zu den "mitgliederstärksten Außenhandelskammern Deutschlands" gehört. Die deutsch-iranische Industrie- und Handelskammer veröffentlichte im Sommer 2009 eine Broschüre, die die Namen und Adressen vieler im Iran präsenter deutscher Firmen auflistete. Neben großen Konzernen wie Siemens, BASF, Bayer oder Daimler, ThyssenKrupp, Linde und Lurgi sind vor allem auch mittelständische Unternehmen wie Wirth oder Herrenknecht im Iran präsent; Tausende deutscher Firmen beschäftigen im Iran Vertreter. Die Broschüre finden Sie hier: "Who is who im Iran".

Im Januar 2010 kündigte Siemens an, ab Mitte des Jahres keine neuen Geschäfte mehr im Iran zu vereinbaren, u.a. nach Protesten von STOP THE BOMB. Es folgten ähnliche Ankündigungen von der Linde AG, ThyssenKrupp, Daimler, Münchener Rück und anderen. Da die meisten Firmen lediglich ankündigten, auf Neugeschäfte verzichten zu wollen und die EU-Sanktionen die Abwicklung von alten Geschäften auch erlauben, ist unklar, wie aktiv diese Firmen im Iran immer noch sind.

Die wichtigsten deutschen Exportprodukte in den Iran sind Maschinen, Eisen- und Stahlerzeugnisse, chemische Erzeugnisse, Elektrotechnik und KFZ.[4] Deutsche Unternehmen sind regelmäßig auf Messen im Iran präsent, so zum Beispiel auf den letzten beiden Ölmessen im Iran. Nach Angaben von Michael Tockuss, Geschäftsführer der deutsch-iranischen Handelskammer, sind zwei Drittel aller mittelständischen Betriebe im Iran mit deutschen Maschinen ausgerüstet, somit auf deutsche Ersatzteile angewiesen. Deutsche Firmen sind führend in Irans Energiesektor vertreten und z.B. am Kraftwerksbau oder in der Gasverflüssigung beteiligt. Nicht viele Länder können diese Technologie liefern. Der Energiesektor ist die Achillesferse des Regimes, auf diesen Sektor zielen auch die neuen Sanktionen der EU.

Politik: Umfang und Qualität der deutsch-iranischen Handelsbeziehungen zeigen, dass Deutschland, auch nach den EU-Sanktionen, einen Hebel in der Hand hält, um Druck auf die iranische Wirtschaft und die politische Führung des Regimes auszuüben. Deutschland war lange Bremser, was schärfere Sanktionen auf EU-Ebene anging. Dies betraf zum Beispiel die Frage von Sanktionen im Energiebereich, die von Großbritannien und Frankreich schon länger befürwortet wurden. Kanzlerin Merkel plädierte lange Zeit dafür, Sanktionen mit China und Russland abzustimmen.[6]

Die EU-Sanktionen aus dem Jahr 2010 sind ein Bruch mit dieser Politik und ein Eingeständnis des Scheiterns der Dialog-Politik. Noch immer aber gibt es viele Schlupflöcher, durch die der Handel mit dem Iran weiterläuft. Das größte Problem, die  Europäisch-Iranische Handelsbank, über die der Großteil aller europäischen Geschäfte mit dem Iran finanziert wurde, ist erst seit Mai 2011 auf der Sanktionsliste. Laut Presseberichten hat die EIH im August 2011 beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Sanktionierung eingereicht. Die Klage wird derzeit noch geprüft.

Ein Report des US-Kongresses anlysierte die Sanktionen gegen das iranische Regime im Oktober 2013.

Die Außenhandelskammer (AHK) in Teheran (staatlich finanziert) und die Handelskammern in Deutschland fördern weiter aktiv das Iran-Geschäft deutscher Firmen - trotz der massiven Menschenrechtsverletzungen und des iranischen Atomprogramms, trotz der Drohungen gegen Israel und den internationalen Bemühungen um schärfere Sanktionen. Immer wieder finden Seminare in Deutschland statt, bei den Handelskammern aber auch bei deutschen Stiftungen und mit Beteilung deutscher Politiker/innen, um deutschen Firmen iranische Handelspartner zu vermitteln. Die iranischen Geschäftspartner sind meistens staatliche Konzerne; im Iran sind etwa 70% der Betriebe direkt oder indirekt mit dem Regime verbunden, etwa als Subunternehmen der Revolutionsgarden. So sind die meisten Geschäfte mit dem Iran eine direkte Unterstützung der politischen Führung des Iran. 

Geheimhaltung und Verschleierung: Aus Angst vor Imageschäden versuchen viele Unternehmen, ihre Iran-Geschäfte geheim zu halten. Auch iranische Regierungsmitglieder, die Geschäftsabschlüsse mit dem Westen gerne publizieren, um die internationale Akzeptanz des Iran zu demonstrieren, sind mittlerweile dazu übergegangen, deutschen Firmen eine Geheimhaltung ihrer Aktivitäten im Iran nahezulegen, wie der stellvertretende Außenminister Mehdi Safari auf einer Deutschlandtour 2008, die u.a. der Anbahnung von neuen Geschäftsabschlüssen galt.

Tarnfirmen: Da das iranische Verteidigungsministerium und einige Firmen, die zu den Revolutionsgarden gehören, von Sanktionen betroffen sind, wird ein Teil des Iran-Geschäftes mittlerweile offenbar über Tarnfirmen abgewickelt, um die Sanktionen zu umgehen. Wenige Informationen darüber sind bislang bekannt, und es fehlt an Regelungen, mit denen dieser Handel kontrolliert und eingedämmt werden kann. Der "Nationale Widerstandsrat des Iran" identifizierte 2007 drei Firmen in Deutschland mit Verbindungen zum iranischen Verteidigungsministerium und den Revolutionsgarden, die Ascotec Co., die Persia System Co. und die Farzanegan Co.[7] Verantwortlich für die Kontrolle der Exporte in den Iran ist das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa).

Das US Finanzministerium veröffentlichte am 3. August 2010 eine Liste mit iranischen Firmen, die in Deutschland aktiv sind. Dazu gehört die IFIC Holding AG, die IHAG Trading AG, die Ascotec Holding GmbH und deren Tochterfirmen, die Mines and Metals Engineering GmbH (M.M.E), (alle Düsseldorf) sowie die Breyeller Stahl Technology GmbH & Co KG (Nettetal) und die West Sun Trade GmbH (Hamburg). In den USA sind Geschäfte mit iranischen Firmen verboten.

 


[1] 2009 betrugen die Exporte 3,7 Mrd. Euro, 2008 3,92 Mrd. Euro. Zahlen: Statistisches Bundesamt. Vgl. auch: "Foreign Trade. Ranking of Germany's trading partners in foreign trade" (PDF)

[2] Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer: Die wichtigsten Lieferländer Irans, 30.11.2009.

[3] Im Juli 2009 meldete Germany Trade & Invest eine Zunahme von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einem Gesamtexport von 13,4 Mrd. Euro.

[4] Quelle: Germany Trade & Invest, "Wirtschaftstrends kompakt: Iran" (PDF)

[5] Angela Merkel vor der israelischen Knesset, 18.3.2008. Anlässlich des Besuchs des israelischen Präsidenten Peres in Berlin am 26.1.2010 erklärte Angela Merkel die Bereitschaft in einer Gruppe mit "ähnlich gesonnenen Ländern" unabhängig von der UN zu handeln.

[6] Interview mit Angela Merkel in der FAZ, 25.2.2010.

[7] Vergleiche den Bericht dazu in der Washington Times vom 17.11.2007, online nur noch auf dem Blog "wind in the wires", sowie die Webseite des NRWI

Zahlen

Iran - Wirtschaftsdaten kompakt. Stand Mai 2018, Quelle: GTAI.

Merkblatt Iran der Deutsch-Iranischen Handelskammer, Überblick über den deutsch-iranischen Warenverkehr seit 1975.

Teilnehmer an der iranischen Ölmesse 2008, Liste deutscher Aussteller 2008 (PDF).

Teilnehmer an der iranischen Ölmesse 2018.