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Sonntag, 24. November 2024

Offener Brief an Peter Mezger, ARD-Korrespondent im Iran

21. September 2009

Sehr geehrter Herr Mezger,

Wir wissen nicht, wem es am diesjährigen "Al-Quds-Tag" schlechter ging - dem iranischen Regime oder ihnen, stellvertretend für die deutschen Medien? Jeder weiß spätestens seit dem Aufstand nach dem 12. Juni 2009, dass es keinerlei freie Berichterstattung aus dem Iran gibt. Es war also zu erwarten, dass Sie nur das über die Proteste am 18. September berichten würden, was das Regime ihnen erlaubt hat. Das erklärt aber noch nicht alles. Denn wir fragen uns, ob man Sie wirklich dazu gezwungen hat, das glatte *Gegenteil* der Wahrheit zu verlautbaren. In der Tagesschau vom 18.9., etwa bei Minute 9:20) behaupten Sie: "Auch die iranische Opposition ist für Palästina und gegen Israel". Diese Aussage widerspricht ganz offensichtlich der zentralen Parole der oppositionellen Iraner - "Nein zu Gaza, Nein zu Libanon, mein Leben ist für Iran", die in zahlreichen Internet-Videos dokumentiert ist. Auf die Hassparolen "Tod Amerika, Tod Israel" aus den Lautsprechern des Regimes antworteten die Menschen immer wieder mit "Tod Russland" und "Tod China", womit sie ihre Gegnerschaft gegen alle ausdrücken, die Ahmadinejad und Khamenei unterstützen. Wenn Transparente mit den Konterfeis des libanesischen Islamistenführers Nasrallah gezeigt wurden, riefen die Menschen "Nieder mit dem Diktator". Transparente für den "Kampf Palästinas" wurden von der Menge abgerissen.

Sie werden sagen, man könne sich - zumal unter den Bedingungen der islamischen Diktatur - nur schwer einen vollständigen Überblick über alle Ereignisse jenes Tages im Iran verschaffen. Bekannt war jedoch bereits vorher, dass das Regime vor diesem Tag zitterte und dass die Revolutionsgarden drohten, mit aller Härte gegen Menschen vorzugehen, die den antiisraelischen Slogans des Regimes widersprechen. Die Regimepresse hat den oben zitierten Satz "Nicht Gaza..." bereits aufgegriffen und behauptet, er wäre von "Zionisten" verbreitet worden.

Nachdem die Mehrheit der Iraner in den Massendemonstrationen seit dem 12. Juni die politische Legitimität der Islamischen Republik vor den Augen der Welt zerstört hat, war der 18. September ein Stoß ins ideologische Herz des Regimes - ein offener Angriff gegen seinen Antisemitismus und seinen globalen Expansionismus im Namen der "muslimischen Gemeinde". Auch wenn Sie, Herr Mezger, nur die Leute von Moussavi und Karroubi als Opposition anerkennen, müssen Sie zugeben, dass auch deren Versuche, andere, propalästinensische Parolen zu verbreiten, kläglich gescheitert sind und sie es nicht wagten, sich offen gegen die Parolen der Mehrheit der Demonstranten zu stellen. Natürlich gibt es auch unter Iranern viele unterschiedliche Meinungen über die Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israelis. Die Palästinasolidarität nach Art des iranischen Regimes, in deren Namen Tausende von Menschen ermordet und für deren Terrorpolitik Milliarden von Dollar ausgegeben wurden, ist jedoch zum Inbegriff all dessen geworden, was an diesem Regime hassens- und verachtenswert ist. Wer auch immer mit dieser Politik identifiziert wird, hat in einem zukünftigen demokratischen Iran keine Chance.

Wir haben, wie gesagt, den Eindruck, dass dies nicht nur ein schwarzer Tag für das Regime war. Wir verstehen, dass der 18. September vielen (nicht nur) in Deutschland Kopfschmerzen und Depressionen verursacht hat. Man hat einen strategischen Partner im Geiste verloren. Denn was würde passieren, falls das Zentrum des islamistischen und antisemitischen Terrors von den Iranern gestürzt würde? Falls in der Folge sich eventuell sogar in Palästina Kräfte der Mäßigung und des Ausgleichs mit Israel durchsetzen würden?

Man könnte dann nicht mehr den Antisemitismus verharmlosen, indem man die antiisraelischen Tiraden Ahmadinejads zu "Übersetzungsfehlern" deklariert. Es wäre zumindest schwieriger, Stimmung gegen Israel zu machen, indem man Israelhassern Orden verleiht - so wie der israelischen "Friedensaktivistin" Felicia Langer, der die Bundesrepublik das Bundesverdienstkreuz verlieh, nachdem sie israelische Gefangenenlager als "Konzentrationslager" bezeichnet hatte. Kurz: man könnte seine eigenen Ressentiments nicht mehr (oder nicht mehr so einfach) hinter der Misere des Nahen Ostens verstecken. Man müßte diese Ressentiments im eigenen Namen aussprechen - und es bleibt zu hoffen, dass viele Deutsche vor dieser Konsequenz dann doch zurückschrecken.

Auch deswegen wünschen wir der iranischen Opposition einen schnellen und vollständigen Sieg über die Islamische Republik Iran. Die Iraner würden damit nicht nur die Basis für eine humane Zukunft ihrer eigenen Gesellschaft schaffen, sondern einen zivilisatorischen Beitrag von globaler Bedeutung leisten - zum Ärger aller, die die Taliban für eine "Kultur" und Ahmadinejad für einen würdigen Repräsentanten der Iraner halten.

Mit freundlichen Grüßen,
Fathiyeh Naghibzadeh und Andreas Benl,
Mitglieder des Bündnisses "Stop the Bomb"

 

Antwort von Peter Mezger

25.9.2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Kritik an meiner Berichterstattung kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Denn es ist in der Tat so, dass auch die Oppositionsführer Mussawi und Karrubi nach wie vor für Palästina und gegen Israel, bzw. gegen das Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten sind. Das habe ich dokumentiert.

Nieder mit Israel, das wurde am 18. Sept. auch von Demonstranten der Opposition gerufen, ich habe es selbst gehört. Der neue Aspekt: Nicht Gaza und Libanon usw.,dies ist später von mir ebenfalls thematisiert worden. Genauso wie die negativen Slogans gegenüber Rußland und China.

Dass Sie in Ihrem Brief Herrn Ahmadinedschad als "strategischen Partner" für Deutsche sehen, daß war mir bislang nur aus der Neonaziszene bekannt.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Mezger

Bureau Chief
ARD German Television - Tehran

 

Erwiderung an Peter Mezger

Hamburg und Berlin, 30. September 2009

Sehr geehrter Herr Mezger,

Vielen Dank für ihre Antwort auf unseren offenen Brief an Sie. Wir sehen uns durch diese Antwort jedoch in keinster Weise widerlegt. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat Ahmad Tavakkoli, ein Vertreter der Hardliner im sogenannten Parlament der Islamischen Republik, sich bitter bei Herrn Mousavi über die auf dem Al-Quds-Tag gerufenen Parolen beklagt: Auf den Demonstrationen hätten „nicht wenige“ von Mousavis Anhängern unter anderem „Freiheit, Unabhängigkeit, Iranische Republik“ und „Weder Gaza, noch Libanon, mein Leben für den Iran“ gerufen. Daraus folge, dass die Oppostionsbewegung unvereinbar mit den Grundlagen der Islamischen Revolution sei – zu denen, wie wir bereits feststellten, natürlich Antisemitismus und Antizionismus gehören (hier die englische Übersetzung des persischen Originals). Mousavis Berater Beheshti erwiderte, dies seien gar nicht Mousavis Leute, der möge die Parolen der iranischen Demonstranten auch nicht und schuld an dem ganzen Schlamassel sei die Ahmadinejad-Fraktion.

Dass die zentralen Slogans der Protestierenden ihre Abneigung gegen den islamistischen Terror der Islamischen Republik ausdrückten, gibt das Regime also selbst zu. Wir konnten aber leider auch in den der Tagesschau vom 18.9.09 folgenden Tagesthemen keinen Hinweis darauf finden, dass Sie, wie Sie in ihrer Antwort schreiben, die Parole „Nicht Gaza und Libanon usw.“ später dokumentiert hätten. Dass radikale, gegen das System der Islamischen Republik gerichtete Slogans auf den Oppositionsdemonstrationen auch gegen den Willen von Mousavi und Karroubi gerufen wurden, erscheint uns nur umso bemerkens- und berichtenswerter.

Wir möchten anhand des folgenden Videos noch einmal die Dramatik der Ereignisse dieses Tages betonen. Auf dem Transparent, das die Menschen abreissen, steht geschrieben: „Palästina ist die Grundlage der Einigkeit. Israel ist der gemeinsame Feind.“ Dies ist die Essenz des Al-Quds-Tages, den Khomeini nicht umsonst sofort nach seiner Machtübernahme als Mobilisierungstag für den internationalen Islamismus etabliert hat. Ein solches Transparent vor aller Öffentlichkeit zu zerstören, kommt im iranischen Gottesstaat einem todeswürdigen Sakrileg gleich. Wer dies tut, kann vom Regime als „Feind Gottes“ und „zionistischer Agent“ gebrandmarkt werden und riskiert sein Leben. Allein dieser Akt zeigt somit, wie groß im Iran die Abneigung gegen alles ist, was für die islamistische Terrorpolitik der Machthaber im Iran steht.

Wenn die heiligsten Parolen eines Regimes in der Bevölkerung Abscheu hervorrufen und wenn auch die Versuche scheitern, den Protest in reformerische Bahnen zu lenken, dann nennt man so etwas in der Regel eine revolutionäre Situation. Trotzdem wird es dem Regime immer wieder gelingen, durch Terror und aussenpolitische Expansion seine innere Schwäche zu kompensieren, solange der Westen und vor allem Deutschland ihre wirtschaftliche Unterstützung des Regimes nicht beenden. Wir sind jedenfalls gespannt auf die Ereignisse bei den kommenden Protesten im Iran und werden die deutsche Presseberichterstattung darüber genau beobachten.

Herr Mezger, Sie schreiben am Ende ihrer Entgegnung auf unseren offenen Brief: „Dass Sie in Ihrem Brief Herrn Ahmadinedschad als ‚strategischen Partner’ für Deutsche sehen, das war mir bislang nur aus der Neonaziszene bekannt.“ Dass Sie die Rede von einer „Strategischen Partnerschaft“ mit der Islamischen Republik spontan mit dem Gedankengut von Neonazis assoziieren, finden wir durchaus nachvollziehbar. Die NPD ist selbstverständlich entzückt über den Holocaustleugner Ahmadinejad und sein Regime. Wir bezogen uns aber mit dem Satz „Man hat einen strategischen Partner im Geiste verloren“ auf bekannte und gerne zitierte Politikberater wie den Vorsitzenden der „Stiftung Wissenschaft und Politik“, Volker Perthes (s. z.B. hier) oder Christoph Bertram, der ein ganzes Buch mit dem Titel „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iranpolitik“ versehen hat. Sie sind es, die immer wieder für eine „europäisch-iranische Partnerschaft mit strategischen Dimensionen“ (Perthes) geworben haben. Von einer Nähe beider zur Neonaziszene ist uns nichts bekannt. Es hat aber seine Logik, dass Israel zur eigentlichen Bedrohung des Weltfriedens stilisiert wird, wo die iranische Diktatur zum strategischen Partner gemacht werden soll (vgl. z.B. hier).

Mit freundlichen Grüßen,
Fathiyeh Naghibzadeh und Andreas Benl,
Mitglieder des Bündnisses "Stop the Bomb", www.stopthebomb.net