Deutschland / Deutschland-Iran / Daimler
Sprache wählen
Freitag, 11. Oktober 2024

Daimler setzt Irangeschäfte "vollständig aus"

Am 11.11.2010 gab Daimler-Vorstandsvorsitzender Dr. Dieter Zetsche bekannt, dass Daimler seine "Geschäfte mit dem Iran vollständig ausgesetzt" habe." "Die Politik der derzeitigen iranischen Führung gebietet es, unsere Geschäftsbeziehungen mit diesem Land zu unterbrechen", so Zetsche. Laut Presseberichten treibe Daimler wie andere Unternehmen "die Sorge um, international als Unterstützer des iranischen Regimes an den Pranger gestellt zu werden. Verbreitet ist vor allem die Angst, dass Aufträge in den USA verloren gehen könnten."
Quelle: Daimler beendet alle Geschäfte mit dem Iran, Financial Times Deutschland, 11.11.2010.

 

Die Daimler AG im Iran

Stand: 14.4.2010

Am 14.4.2010 protestierte STOP THE BOMB bei der Daimler Jahres-Aktionärsversammlung in Berlin, kritische Aktionäre stellten Fragen zum Iran-Geschäft von Daimler.

Rede von Dr. Kazem Moussavi

Wichtigste Antwort von Daimler war die Ankündigung, dass Daimler sich teilweise aus dem Iran-Geschäft zurückziehen wolle. Vorstandsvorsitzender Dr. Dieter Zetsche äußerte sich dazu folgendermaßen: 

„Und lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein anderes Thema ansprechen, das unser Selbstverständnis als international gesamtverantwortliches Unternehmen betrifft: Es geht um unser Iran-Geschäft. Selbstverständlich vollziehen sich unsere Geschäftsbeziehungen mit dem Iran seit jeher im Rahmen und auf der Basis des geltenden Rechts. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklung haben wir diese Geschäftsbeziehungen nun aber nochmals einer intensiven Prüfung unterzogen. Im Ergebnis richten wir unser Iran-Geschäft neu aus. Konkret heißt das: Wir werden uns von unserer 30-prozentigen Beteiligung an der „Iranian Diesel Engine Manufacturing“ - einer Tochtergesellschaft von Iranian Khodro Diesel - trennen.

Außerdem haben wir noch in Deutschland anhängige Anträge zum Export dreiachsiger ziviler Nutzfahrzeuge in den Iran zurückgezogen. Bis auf weiteres werden wir ganz auf die Lieferung solcher Fahrzeuge in den Iran verzichten. Insgesamt wird sich unsere Geschäftstätigkeit auf die Erfüllung bestehender vertraglicher Verpflichtungen und die Zusammenarbeit mit unseren Bestandskunden beschränken. Ich möchte besonders hervorheben, dass sich selbstverständlich keine dieser Maßnahmen gegen das iranische Volk richtet. Die Politik der derzeitigen iranischen Führung gebietet es aber, unser Geschäfte mit dem Iran auf eine neue Grundlage zu stellen. Auch das ist ein Stück gesamtverantwortlicher Unternehmensführung.“

Auf die Frage nach dem Export nach Dubai und besonderen Anstrengungen Daimlers, den Weiterexport in den Iran zu verhindern, gab der Vorstand an, in 2009 8653 Daimler-Trucks sowie 274 Stadtbusse nach Dubai exportiert zu haben. Diese Fahrzeuge würden „unseres Wissens nach nicht weiterexportiert“, dies liege aber „nicht ganz in Daimlers Verantwortung“.

Daimler wisse nichts von Geschäftsbeziehungen zu den Revolutionsgarden.

Für ein Zusammentreffen mit Menschenrechtsorganisationen, um die Folgen von Iran-Geschäften konkret zu diskutieren, sah der Vorstand keine Notwendigkeit. Daimler sei „ein Wirtschaftsunternehmen und keine politische Organisation“.

Der Umsatz des Iran-Geschäftes habe in den letzten drei Jahren etwa 0,1 Prozent des Gesamtumsatzes betragen. In 2009 betrug der Umsatz 79 Millionen, in 2008 etwa 96 Millionen und in 2007 etwa 100 Millionen Euro.

Iran Khodro fertigt LKW der Baureihe Atego, Axor und Actros sowie Busse in Lizenz.

Für Trucks wurden 2009 ca. 1000 Bausätze ausgeliefert.

Weitere Angaben zu Produkten, die in Zukunft weiterhin bzw. nicht mehr geliefert und lizensiert werden sollten, wollte der Vorstand nicht machen: Ehe die Verhältnisse sich ändern, habe man keine weitere Entscheidung zu fällen.

So weit die Aussagen des Daimler-Vorstandes zum Iran-Geschäft auf der Aktionärsversammlung in Berlin am 14.4.2010.

 

Weitere Informationen
Daimler
unterhält eine Vertretung in Teheran.[1] Der Vertrieb von Mercedes Benz PKW läuft über das Unternehmen Setareh Iran.[2]

Der iranische Staatsbetrieb Iran Khodro stellt in Lizenz Mercedes Benz PKW her. Einer der Daimler-Geschäftspartner ist damit direkt mit dem iranischen Regime verbunden. Iran Khodro steht unter politischem Einfluss der Regierung Ahmadinejad[3] und wurde mindestens einmal für den Versuch eingesetzt, unter dem Vorwand ziviler Nutzung Materialien für das sanktionierte Atomprogramm zu beschaffen.[4]

Nach aktuellen Meldungen soll Iran Khodro privatisiert werden.[5] Regelmäßig bedeuten solche „Privatisierungen“ im Iran allerdings, dass die iranischen Revolutionsgarden sich die Unternehmen sichern, ohne dass private oder ausländische Investoren eine Chance hätten. Zuletzt war dies bei der Telecommunication Company of Iran der Fall.[6]

Die Iran Khodro Diesel Company ist ein führender Hersteller von Nutzfahrzeugen im Iran und in zahlreichen Ländern im Nahen Osten und weltweit. Im Iran beträgt der Marktanteil 70%. Stolz verweist das Unternehmen auf „ein halbes Jahrhundert Erfahrung unter der Lizenz von Daimler Benz (Deutschland).“[7]

Im Angebot von Iran Khodro Diesel sind aktuell auch mehrere Schlepper mit drei Achsen[8], etwa der fast 10 Meter lange Mercedes Benz Axor 2628 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 26.000 Kilo[9] oder der Actros 3331K mit 33.000 Kilo zulässigem Gesamtgewicht.[10]

Solche LKW können spätestens nach einem Umbau militärisch genutzt werden, weshalb sie nach Informationen des Spiegel inzwischen auch Ausfuhrbeschränkungen unterliegen: „Weil die iranische Armee öffentlich mehrfach Fahrzeuge vorgeführt hat, die zu mobilen Raketenwerfern umgebaut wurden, ließ das Wirtschaftsministerium im April 2008 den Export von ‚Lastkraftwagen mit drei Achsen oder mehr und einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 20 000 Kilogramm’ nach Iran und Syrien untersagen. Bislang verkaufte Daimler bis zu 1000 Laster an iranische Firmen.“[11]

Daimler Cheflobbyist Martin Jäger, bis 2008 Pressesprecher des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier,[12] verfasste aus Protest gegen die Export-Einschränkung im April 2009 einen „Brandbrief“ an das Außenministerium. Daimler hat zudem einen Antrag gestellt, die militärisch nutzbaren LKW trotz Embargo in die Islamische Republik Iran zu liefern.[13]

Bei der Hauptversammlung 2009 antwortete Vorstand Dieter Zetsche auf Frage nach der Nutzbarkeit von Mercedes-LKW zum Abschuss von Raketen: „Der Umbau durch Dritte ist nicht kontrollierbar.“[14]

2004 kam es bei Daimler zu einer Razzia wegen 453 Lastwagen, die über den Umweg Saudi-Arabien in den Iran geliefert worden seien sollen. Militärexperten gingen davon aus, dass die Fahrzeuge für militärische Zwecke umgerüstet werden können.[15]

Daimler besitzt 30% der Aktien der Iranian Diesel Engine Manufacturing Co. (IDEM), dem nach eigenen Angaben führenden Hersteller von Diesel-Motoren im Iran und Nahen Osten. Die restlichen Aktien sind im Besitz von Iran Khodro bzw. Iran Khodro Diesel. IDEM stellt mit Lizenz von Daimler Motoren für LKW, PKW und Industriemaschinen her.[16]

Zu den Abnehmern von IDEM-Motoren gehört die iranische Heavy Equipment Production Company (Hepco). In deren Selbstdarstellung heißt es: “The Company is engaged in manufacturing, distribution and product support of road construction, mining & agricultural equipments, as well as fabrication and installation of voluminous parts for oil, gas, petrochemical and power generation projects”.[17]

Daimler ist offenbar bereit, für seine Iran-Aktivitäten das Geschäft in den USA zu gefährden. Florida und zahlreiche andere Bundesstaaten haben Gesetze erlassen, nach denen sich die Pensionsfonds von Anteilen derjenigen Firmen trennen müssen, die mit dem Iran Geschäfte im Energiesektor machen, wozu auch Maschinen zum Ausbau der Infrastruktur gehören.[18] Ähnliche Gesetze wurden vor kurzem auch im US-Senat und Kongress verabschiedet.[19] Auch Staatsaufträge in den USA sind durch Iran-Geschäfte gefährdet. So verlor Siemens im September 2009 nach politischem Druck einen Großauftrag in Los Angeles.[20]

Die Daimler AG ist mit 25% größter und wichtigster Anteilshalter der Tognum AG, zu der u.a. der Motorenhersteller MTU gehört. Laut einer Studie der Kritischen Aktionäre hat MTU hat Dieselmotoren für 10 militärische Patrouillenbote des Typs „Kaman“ in den Iran geliefert. „Die Antriebssysteme werden dabei auch als eine komplette 'Systemlösung' angeboten, die neben Ersatzteil- und Werkzeugbevorratung auch Schulungen an Bord der Schiffe umfasst. Darüber hinaus bietet das Unternehmen einen jederzeit und immer verfügbaren, weltweiten Service an.“[21]

Wir verweisen zudem auf ein älteres Flugblatt der Stuttgarter Friedensinitiative zu den Iran-Geschäften der Daimler AG sowie auf die Antworten des Vorstands auf Fragen zum Iran bei der Hauptversammlung 2009.


[1] http://www3.mercedes-benz.com/mbcom_v4/ir/de.html 
[2]
www.setarehiran.com
[3]
Die Leitung von Iran Khodro wurde während der Regierungszeit Ahmadinejads auf Weisung von Minister Ali-Akbar Mehrabian ausgetauscht. Vgl.: Can Majles block Ahmadinejad's advance?, 31.8.2009, www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/tehranbureau/2009/08/can-majles-block-ahmadinejads-advance.html
[4]
  Im März 2009 geriet Iran Khodro in die Schlagzeilen, nachdem der Leiter des Konzerns auf Anordnung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, der auch für das Atomprogramm zuständig ist, große Mengen an Karbonfiber importieren wollte. Das Material steht auf der UN-Sanktionsliste, da es auch zum Bau von Zentrifugen zur Urananreicherung verwendet werden kann. Vgl. Diplomats: Iran’s national car company seeks banned carbon fiber, Haaretz, 12.3.2009, http://www.haaretz.com/hasen/spages/1070567.html
[5]
Iran Khodro, Saipa to be privatized: official, Tehran Times, 12.4.2010, www.tehrantimes.com/index_View.asp?code=217331
[6]
Elite Guard in Iran Tightens Grip With Media Move, New York Times, 9.10.2009, www.nytimes.com/2009/10/09/world/middleeast/09iran.html?_r=1&ref=world
Auch ein staatlicher Traktorenhersteller ist nach einer „Privatisierung“ nun im Besitz einer Holding der Revolutionsgarden. (Vgl. Fußnote 3.)
[7]
http://www.ikd-co.com/English/AboutUs.aspx
„Wenn man auf der Straße zwischen Teheran und Isfahan unterwegs ist, könnte man meinen, dass es außer Mercedes fast keinen anderen Lkw- und Bus-Hersteller im Iran gibt. Unablässig rollen die Großfahrzeuge des deutschen Konzerns.“ Geschäfte auf Sparflamme, Tagesschau, 23.6.2009, www.tagesschau.de/wirtschaft/iran538.html
[8]
www.ikd-co.com/English/Products.aspx
[9] www.ikd-co.com/English/ShowDocumentFile.aspx
[10] www.ikd-co.com/English/ShowDocumentFile.aspx
[11] Meister im Verhindern, Der Spiegel, 15.6.2009, www.spiegel.de/spiegel/print/d-65717394.html
[12]
Diplomat geht zur Industrie: Daimlers neuer Außenminister, Stern, 31.8.2008, www.stern.de/politik/deutschland/diplomat-geht-zur-industrie-daimlers-neuer-aussenminister-636471.html
[13]
Meister im Verhindern, Der Spiegel, 15.6.2009, www.spiegel.de/spiegel/print/d-65717394.html
[14]
http://www.rib-ev.de/stuff/Artikel_JG/Daimler-HV-09_REDE-FRAGEN+AW+KOMMENTAR_JG.doc
[15]
Razzien bei Daimler-Chrysler – LKW-Geschäfte mit Iran, Handelsblatt 12.12.2004, www.handelsblatt.com/archiv/razzien-bei-daimler-chrysler-lkw-geschaefte-mit-iran;833469
[16]
www.idem.ir/htm/Mainprod.HTM
[17] www.hepcoir.com/HepcoInfo_en.asp
[18] Geschäfte mit Iran - Florida straft Daimler und Siemens ab, Der Spiegel, 18.6.2007, www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,489119,00.html
[19]
Iran Sanctions Bill Passed, 29.1.2010, www.newsmax.com/KenTimmerman/kentimmerman-iran-sanctions-ComprehensiveIranSanctionsAccountabilityandDivestmentAct/2010/01/29/id/348380
[20]
http://de.stopthebomb.net/de/start/deutschland/siemens.html#c1125
[21]
http://www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de/dokumente/Dokumentation-Tognum-Ruestungsprodukte-April-2010.pdf

&a

Presse

Jerusalem Post - Benjamin Weinthal: Daimler drops plans to sell Teheran missile-launch trucks (16.4.2010)

Handelsblatt - Zetsches Optimismus perlt an Aktionären ab (14.4.2010)