Handelsblatt: Zetsches Optimismus prallt an Aktionären ab
Auszug:
"Ein Komplett-Rückzug aus dem Iran ist nach Worten Zetsches aber nicht geplant. Bestehende vertragliche Verpflichtungen würden erfüllt. Einem Aktionär ging dies nicht weit genug: "Steigen sie komplett aus dem Geschäft mit dem totalitären Regime aus", forderte Kleinaktionär Kazem Moussavi. Die Ankündigung des deutschen Vorzeigekonzerns kommt zu einem politisch sensiblen Zeitpunkt. So hatte sich US-Präsident Barack Obama zum Abschluss des Atomgipfeltreffens in Washington für rasche UN-Sanktionen gegen Iran ausgesprochen. Daimler ist der erste deutsche Autobauer, der angekündigt hat, sein Iran-Geschäft zurückzufahren. Unlängst hatten Münchner Rück und Allianz erklärt, sich aus dem Land zurückzuziehen. Siemens will keine Neuaufträge aus dem Iran mehr annehmen."
Handelsblatt - 04.14.2010 19:34
Zetsches Optimismus perlt an Aktionären ab
BERLIN. Der Zahn der Zeit nagt kräftig an der einst avantgardistischen Architektur des Internationalen Congress Zentrums in Berlin. Seit zehn Jahren würde die Messegesellschaft den Betonkoloss mit seinen fensterlosen Sitzungsräumen am liebsten abreißen, der lange als eines der modernsten Kongresshäuser der Welt galt. Den Autokonzern Daimler hält das nicht davon ab, seit zehn Jahren seine Hauptversammlung hier abzuhalten anstatt in der Stuttgarter Heimat.
Der Grund ist schwäbisch-sparsamer Natur: Berlin ist für den Konzern die billigere und bequemere Variante, weil sich immer weniger Aktionäre auf den Weg in die Hauptstadt machen, um unangenehme Fragen bis spät in den Abend hinein zu stellen.
Auch diesmal geht die schwäbische Art der Aktionärspflege auf. Nur noch knapp 5 000 Kleinaktionäre strömen an diesem Mittwoch in das Gebäude - im Reisegepäck eine eher diffuse Vorstellung, wohin es mit ihrem Unternehmen geht.
Vorstandschef Dieter Zetsche versucht in einer fast einstündigen Rede mit 18 Seiten Redetext, mehr Klarheit zu schaffen. Und nach dem Umsatzeinbruch im Jahr 2009 um ein Fünftel auf 79 Mrd. Euro, Milliardenverlust und Ausfall der Dividende den Blick auf die Zukunft zu richten: "Daimler sollte nach seiner Zukunft beurteilt werden, nicht nach seiner Vergangenheit, und die Zukunftsaussichten sehen vielversprechender aus als die der meisten Wettbewerber", zitiert der Manager mit dem markanten Walrossbart einen Kommentar aus dem "Wall Street Journal".
"Unsere Lage ist heute besser als gestern und viel spricht dafür, dass sie morgen besser als heute sein wird", beendet Zetsche seine Rede. Und er verspricht, auch in diesem Jahr zur Zahlung einer Dividende zurückzukehren. Sein Credo: "Der Umbruch unserer Industrie ist für Daimler ein Aufbruch." Zetsche zählt die Kooperationen bei Elektrofahrzeugen, Batterien und mit Renault-Nissan bei Kleinwagen auf. Insgesamt blickt Daimler mit Zuversicht nach vorne, vor allem wegen der höheren Absatzzahlen der Pkw-Markengruppe Mercedes-Benz Cars im Auftaktquartal. Weiterhin werde im Gesamtjahr ein operatives Ergebnis (Ebit) von mehr als 2,3 Mrd. Euro angestrebt, bekräftigte Zetsche. Absatz und Umsatz würden steigen, aber noch immer deutlich unter dem Niveau des guten Jahres 2008 liegen.
Die Aufbruchstimmung greift auf das Publikum aber nur selten über. "Der Vorstand muss neu definieren, wo Daimler eigentlich hin will. Im Moment besteht der Eindruck einer heillosen, reaktiven Geschäftspolitik", sagt Lars Labryga von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Im Zentrum der Aktionärskritik steht die in der vergangenen Woche geschlossene Kooperation mit Renault-Nissan: Viele Kleinaktionäre befürchten eine Verwässerung der Marke Mercedes und Qualitätsprobleme.
"Es mutet schon merkwürdig an, dass Sie sich ausgerechnet mit Unternehmen aus Frankreich und Japan verbünden", moniert Henning Gebhardt von der Fondsgesellschaft DWS. "Man hat es nicht mal geschafft, mit Chrysler Synergien zu erreichen, obwohl Chrysler doch Teil des Konzerns gewesen ist." Zetsche verweist auf die klar abgesteckten gemeinsamen Projekte: Die Schwaben wollen mit Renault und Nissan die nächste Generation des Zweisitzers Smart sowie einen Viersitzer bauen und gemeinsam Motoren entwickeln, um auch im Kleinwagensegment wettbewerbsfähig zu werden.
Der Schritt sei aus Kostensicht sicher richtig, sagt Aktionärsschützer Labryga. Markenpolitisch berge die Kooperation aber große Gefahren. Letztlich sei sie "das enttäuschende Eingeständnis, dass Daimler mit dem Konzept eines eigenen Premium-Kleinwagens gescheitert" sei.
Verständnis zeigten viele Aktionäre hingegen für den Ausfall der Dividende. Breite Zustimmung fand auch die erstmals zur Abstimmung stehende Vergütung der Vorstände und das damit verbundene System. Für die Ankündigung, das Engagement in Iran deutlich zu verringern, erhielt das Management sogar Beifall von den Anteilseignern. Der Konzern will sich von seiner Beteiligung an einer Tochter des Autobauers Iranian Khodro trennen und künftig Daimler keine zivilen Trucks mehr an die Islamische Republik liefern.
Ein Komplett-Rückzug aus dem Iran ist nach Worten Zetsches aber nicht geplant. Bestehende vertragliche Verpflichtungen würden erfüllt. Einem Aktionär ging dies nicht weit genug: "Steigen sie komplett aus dem Geschäft mit dem totalitären Regime aus", forderte Kleinaktionär Kazem Moussavi. Die Ankündigung des deutschen Vorzeigekonzerns kommt zu einem politisch sensiblen Zeitpunkt. So hatte sich US-Präsident Barack Obama zum Abschluss des Atomgipfeltreffens in Washington für rasche UN-Sanktionen gegen Iran ausgesprochen. Daimler ist der erste deutsche Autobauer, der angekündigt hat, sein Iran-Geschäft zurückzufahren. Unlängst hatten Münchner Rück und Allianz erklärt, sich aus dem Land zurückzuziehen. Siemens will keine Neuaufträge aus dem Iran mehr annehmen.