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Donnerstag, 19. Dezember 2024

Offener Brief der Kampagne STOP THE BOMB zu den Iranreisen deutscher Abgeordneter

Elke Hoff und Abgeordnete des Bundestages: Stoppen Sie die Reisen in den Iran!

 

Berlin, 18. November 2010

Sehr geehrte Elke Hoff,

sehr geehrte Abgeordnete,

im Juli 2010 wurden EU-Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran verhängt, die Druck auf die iranische Regierung ausüben sollen. Dieser Druck kann aber nur wirksam sein, wenn nicht andere Aktionen diesen Druck konterkarieren. Die jüngste Iran-Reisetätigkeit verschiedener Bundestagsmitglieder aller im Parlament vertretenen Parteien tut aber genau dies.

Nachdem der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz eine für Anfang Juli 2010 angekündigte Iran-Reise noch abgesagt hatte, reiste Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP, Ende Juli in den Iran, gefolgt von fünf Mitgliedern des Kulturausschusses unter Leitung von Peter Gauweiler (CSU).[1] Nun wird in iranischen Regime-Medien eine Iran-Reise von Elke Hoff (FDP) für den 20. November angekündigt. Frau Hoffs Reise ziele auf den „Ausbau der Kooperation der Parlamente in Berlin und Teheran“.[2] Der Öffentlichkeit wird dieser Termin verschwiegen, das Büro Hoff verweigert bislang die Auskunft.[3]

Wir fragen Sie als Abgeordnete: Hat diese Politik der Kooperation mit einem Regime die Unterstützung des Bundestages, das der wichtigste Unterstützer des internationalen Terrorismus ist, den Holocaust leugnet und Israel vernichten will? Ein Regime, das zudem unter der iranischen Bevölkerung verhasst ist, wie die Massen-Proteste seit den gefälschten und von Beginn an undemokratischen Präsidentschaftswahlen im Sommer 2009 eindrucksvoll gezeigt haben? Ist es wirklich der politische Wille Ihrer Fraktion, dass der deutsche Bundestag mit dem Schein-Parlament des theokratischen Regimes, in dem alle wichtigen Entscheidungen durch einen durch nichts legitimierten „obersten Rechtsgelehrten“ getroffen werden, nicht nur eine Kooperation unterhält, sondern diese sogar noch ausbaut? Mit einem „Parlament“, in dem sämtliche Abgeordnete vor ihrer Zulassung zur „Wahl“ auf Treue zu den Prinzipien der islamistischen Diktatur geprüft wurden?

Das Verhalten deutscher Parlamentarier hat international bereits für Unverständnis gesorgt. Das Wall Street Journal kommentierte am 16. November: „Während das europäische Parlament sich jüngst wegen der miserablen Menschenrechtsbilanz des Regimes weigerte, den Iran zu besuchen, sahen die deutschen Parlamentarier nichts Falsches darin, mit den Mullahs zu plaudern. […] Es scheint, als ob für Berlin die Förderung der blühenden Wirtschaftsverbindungen mit Teheran und die Bewahrung des ‚historischen Schatzes der deutsch-iranischen Freundschaft‘ wichtiger sind als Sorgen über Menschenrechte und Nuklearproliferation.“[4]

Das Argument, man könne sich durch solche Reisen für Menschenrechte und Oppositionelle einsetzen, hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel hat dies jüngst anhand der Kulturausschuss-Reise in allen beschämenden Details ausgeführt.[5] Treffen deutscher Politiker mit Regime-Vertretern im Iran tragen gerade nicht dazu bei, die Menschenrechtssituation zu verbessern. Damit wird den Regimefunktionären vielmehr signalisiert, dass sie trotz allem keine ernsthaften Konsequenzen fürchten müssen, dass sie als Dialogpartner umworben und als Vertreter des Iran anerkannt werden. Das Regime wird so legitimiert und ermutigt, der Freiheitsbewegung im Iran wird signalisiert, dass man nicht auf sie setzt. Wenn sich eine deutsche Delegation dann noch fortwährend demütigen lässt[6] und die iranische Propaganda nicht nur glaubt, sondern auch noch weiterverbreitet, kann das Ergebnis nur als politisch desaströs bezeichnet werden.[7]

Auch das Argument, Iran habe gemeinsame Interessen mit dem Westen in Afghanistan, etwa bei der Drogenbekämpfung oder der Stabilisierung des Landes, hält keiner genaueren Überprüfung stand. Die grundlegenden Interessen der Islamischen Republik Iran in Afghanistan bestehen in der Bekämpfung des westlichen Einflusses, die Taliban werden mit Waffen und Geld ausgerüstet, für tote westliche Soldaten wird ein Kopfgeld gezahlt.[8] Das iranische Regime will in Afghanistan nicht Demokratie und Menschenrechte fördern, sondern das Land immer weiter in den Einflussbereich der eigenen „Islamischen Revolution“ ziehen.[9]

Auf wirtschaftlicher Ebene tragen solche Reisen zu einer Situation bei, in der der deutsch-iranische Handel noch immer anwächst, im ersten Halbjahr 2010 stiegen die Exporte in den Iran um 14%, die deutschen Importe gar um 88%.[10] Am kommenden Montag, dem 22. November, finden in Hamburg und Frankfurt a.M. Konferenzen zur Förderung des deutsch-iranischen Handels statt[11], Elke Hoff selbst ist Mitglied im Vorstand des Nah- und Mittelostvereins (NUMOV), der sich gegen Sanktionen und für Iran-Geschäfte einsetzt.[12]

In einem historischen Moment, in dem Millionen Menschen im Iran Freiheit und Demokratie und damit einen radikalen Wandel des iranischen Unrechtssystems fordern, die Kooperation mit dem undemokratischen, illegitimen iranischen Parlament auszubauen, wäre ein schwerer politischer Fehler. Menschenrechte, regionale Stabilität, Sicherheit für Israel, eine Lösung der Atomkrise und ein Ende der internationalen Terrorismus- und Islamismusförderung sind mit dem gegenwärtigen Regime und seinen Vertretern nicht zu haben. In diesem Sinne fordern wir Frau Hoff und alle anderen Abgeordneten dringend auf, von solchen Reisen in die Islamische Republik Iran und Treffen mit den Regimevertretern abzusehen.

Wir fordern Sie zudem auf, für mehr Transparenz in den Beziehungen zum Iran zu sorgen. Die Beziehungen des deutschen Bundestages zu staatlichen Institutionen der Islamischen Republik Iran müssen transparent und der öffentlichen Debatte zugänglich sein. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, welche ihrer politischen Vertreter die Dialogpolitik mit dem Iran fortführen möchten und welche sich für eine entschiedene Bekämpfung des Islamismus einsetzen.

Bitte schreiben Sie uns, wenn Sie nähere Informationen haben möchten und an einem Gespräch mit STOP THE BOMB interessiert sind.

 

Hochachtungsvoll, 

Jonathan Weckerle

Michael Spaney



[1] Weitere Teilnehmer/innen: Monika Grütters (CDU), Peter Gloser (SPD), Lukrezia Jochimsen (Linke), Claudia Roth (Grüne), die Reise fand vom 16.-22. Oktober statt.
[2]
Teheran Times, 14.11.2010, www.tehrantimes.com/Index_view.asp?code=230412 (Zugriff 16.11.2010)
[3]
Letzte telefonische Anfrage am 18.11.2010.
[4]
Benjamin Weinthal, Wall Street Journal, 16.11.2010, online.wsj.com/article/SB10001424052748703805004575606291893348542.html
[5]
Matthias Küntzel, Vom ‚kritischen‘ zum kriecherischen Dialog, 5.11.2010, www.matthiaskuentzel.de/contents/vom-kritischen-zum-kriecherischen-dialog
[6]
Lukrezia Jochimsen hat dies in aller Offenheit in ihrem Reisetagebuch dokumentiert, siehe lukrezia-jochimsen.de/tagebuch/10-2010/eine-woche-im-iran-mein-tagebuch-teil-1/
[7]
Peter Gauweiler lobte laut iranischen Medien "die friedliche Koexistenz unter den Anhängern verschiedener Religionen in der IRI als beispiellos", "in keinem der Länder der Region sei ein derartig friedvolles Zusammenleben zu sehen." Gauweiler kritisierte demnach auch die „negative Propaganda europäischer Massenmedien gegen Iran“. http://german.irib.ir/nachrichten/politik/item/116584-gauweiler-wuerdigt-friedliches-zusammenleben-von-anhaengern-verschiedener-religionen-in-iran  (Zugriff 16.11.2010) Gegen über Spiegel-Online hat Herr Gauweiler diese Aussagen nicht dementiert. (Interview mit Peter Gauweiler, 21.10.2010, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,724286,00.html). Zum Thema Religionsfreiheit und Minderheitenrechte im Iran sei auf den Bericht des Anti-Rassismus-Ausschusses der UN vom 27.8.2010 und besonders die Situation der Baha’i verwiesen. (www.bahai.de/artikel/article/un-ausschuss-kritisiert-irans-unterdrueckung-von-minderheiten.html?tx_ttnews[backPid]=43&cHash=7dc28036e1)
[8]
Tehran pays Taliban for every US casualty, 5.9.2010, www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3949546,00.html
[9]
Siehe dazu Saba Farzan, Wie Iran auf Afghanistan Einfluss nimmt, 8.8.2010, Die ZEIT, www.zeit.de/politik/ausland/2010-08/afghanistan-iran-3
[10]
Deutsche Exporte in den Iran steigen trotz Sanktionen kräftig, Reuters-Meldung vom 30.8.2010, de.reuters.com/article/economicsNews/idDEBEE67T0AD20100830.
[11]
Für Hamburg siehe (Zugriff 17.11.2010), das Treffen in Frankfurt a.M. wird unseren Informationen nach vom dortigen VDMA veranstaltet.www.germanglobaltrade.de/middleeastforum/iran/index.php
[12]
http://www.numov.org/content/view/49/55/lang,de_DE/