Am 7. März 1979, wenige Wochen nach dem Umsturz im Iran, befahl Ayatollah Khomeini, dass Frauen iranische staatliche Einrichtungen nur noch mit Kopftuch betreten dürften. Daraufhin kam es im Zuge des internationalen Frauentages am 8. März zu zahlreichen Demonstrationen gegen die Zwangsverschleierung. Die Islamisten mussten daraufhin ihr Dekret vorläufig zurücknehmen.
„Befreiungsbewegung der iranischen Frauen im Jahre Null“ ist der Titel eines Films, den Frauen der „Gruppe Politik und Psychoanalyse“ aus Frankreich 1979 im Iran gedreht haben, um die Botschaft der iranischen Frauen weiterzugeben: „Freiheit ist nicht östlich und nicht westlich, sondern universell“.
Die Bedeutung und Explosivität dieser Parole mag damals vielen im Westen nicht bewusst gewesen sein. Doch sie fasst in einem Satz die Kritik am Islamismus zusammen. Sie entwendet Khomeinis Motto: „Der Iran ist weder östlich [kommunistisch] noch westlich [kapitalistisch], sondern islamisch“ und entlarvt diese Parole als fundamentalen Angriff auf die Aufklärung und auf die weltliche Emanzipation.
Der Höhepunkt dieses Films ist die Stellungnahme zweier verschleierter muslimischer Frauen, die ihre Teilnahme an dieser Demonstration mit dem Kampf für die Rechte und Freiheiten ihrer Töchter begründen. Sie stellen damit nicht nur den Herrschaftsanspruch der Islamisten in Frage. Sie wischen mit ihrem kurzen Auftritt auch alle Konzepte des Kulturrelativismus vom Tisch, der den islamischen Tugendterror zur Folklore des Orients erklärt.
Die postmoderne Romantisierung des Islam stellt die Dinge auf den Kopf: sie beschreibt den Islam in der Sprache der Islamisten – als unschuldige Natur, als Schutzpatron der Frauen vor Pornographie und westlichem Imperialismus. Es sind westliche, sich selbst als Feministinnen verstehende Kulturrelativistinnen, die jeden Tag absurdere Rechtfertigungen für die islamische Herrschaft erfinden. Die Iranerin Atoussah H. schrieb dem Khomeini-Anhänger Michel Foucault bereits 1978 ins Stammbuch: „Es scheint, dass für die westliche Linke, der es an Humanismus mangelt, der Islam begehrenswert ist – für andere Völker.“ Denn die iranischen Frauen wussten von Anfang an sehr gut, was sie von dem „Schutz“ der Islamisten zu erwarten hatten: Die Abschaffung aller bis dahin erkämpften bürgerlichen Rechte, die Einführung der Scharia, Entrechtung, Folter und Steinigung.
Als die iranischen Frauen gegen Khomeini auf die Straße gingen, konnten sie nicht wissen, dass 30 Jahre später selbst in westlichen Ländern Elemente der Scharia in das Familienrecht eingeführt werden. Sie haben ihren mutigen Kampf somit nicht nur gegen die Islamisten im Iran, sondern für die Rechte der Frauen auf der ganzen Welt geführt.
Alle iranischen Oppositionellen, ob sie sich nun kommunistisch, liberal oder sogar islamisch nennen, beziehen sich immer wieder auf diese Demonstrationen und behaupten, an ihnen an vorderster Front mitgewirkt zu haben. In Wirklichkeit handelte es sich um spontane Proteste über mehrere Tage und in allen wichtigen Städten des Iran, an denen Frauen aus allen Schichten der iranischen Bevölkerung teilnahmen.
Ein Film wie „Befreiungsbewegung der iranischen Frauen im Jahre Null“ könnte heute in Europa wohl kaum noch produziert werden. Mit aller Gewalt wollen Teile der europäischen Medien stattdessen ein Bild entwerfen, in dem es für die Menschen aus dem Orient keine andere Lebensform geben kann als die islamische. Umso größer ist der historische Glücksfall, den dieses kleine Filmdokument darstellt. Es entlarvt in dreizehn Minuten Tonnen islamistischer und kulturrelativistischer Propaganda als grausame Lüge.
Fathiyeh Naghibzadeh nahm an den Frauendemonstrationen im März 1979 teil und floh vor über 20 Jahren aus dem Iran. Heute lebt sie in Berlin und ist im Mideast Freedom Forum Berlin und bei der Kampagne STOP THE BOMB aktiv. Sie ist Ko-Autorin des Buches "Der Iran - Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer," und des Bandes "Iran - Israel - Deutschland: Antisemitismus, Außenhandel & Atomprogramm‘", der im 2017 bei Hentrich & Hentrich’ erschienen ist.
Der Text wurde zuerst in Der Standard vom 7.3.2009 veröffentlicht.