Deutschland / Deutschland-Iran / Siemens
Sprache wählen
Mittwoch, 25. Dezember 2024

STOP THE BOMB auf der Siemens-HV 2012

Auch 2012 sprach ein Vertreter von STOP THE BOMB als kritischer Aktionär bei der Siemens-Hauptversammlung, die am 24. Januar in der Münchner Olympiahalle stattfand. Der Vorstand erklärte, "rechtsverbindliche Verpflichtungen" mit dem Iran weiter erfüllen zu wollen, da sonst Ansprüche gegenüber Siemens erhoben werden könnten. Der Umsatz mit Iran-Geschäften betrug im Geschäftsjahr 2011 "rund 450 Millionen Euro". Siemens ist noch immer mit einer Tochtergesellschaft im Iran vertreten, die 185 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz sei im Vergleich zum Vorjahr um 34% gesunken, wodurch sich für das Geschäftsjahr 2010 ein Umsatz von ca. 682 Millionen Euro errechnen lässt.

 

STOP THE BOMB Bericht von der Siemens Hauptversammlung in München, 25.1.2011


Auch in diesem Jahr besuchten STB Aktionäre die HV von Siemens. Obwohl Siemens im Januar 2010 angekündigt hatte, ab dem Sommer 2010 keine Neugeschäfte mit Iran zu tätigen, blieben genügend Kritikpunkte und Fragen, die die STB Aktivisten dem Vorstand und Aufsichtsrat in Bezug auf das Irangeschäft der Siemens AG unterbreiten wollten.
In seiner Rede vor den Aktionären betonte STB Sprecher Michael Spaney, dass immer wieder Berichte in der Presse auftauchten, die Siemenslieferungen über Mittlerfirmen in Drittstaaten in den Iran zum Thema hätten. Zuletzt am 19.1.2011 in der Welt, wo eine am Atomprogramm beteiligte und unter UN Sanktionen stehende iranische Firma  eine Siemens Lieferung über China erhalten sollte, die dann in Abu Dhabi mit Hilfe von US Geheimdiensten festgesetzt wurde. Auf die Frage nach solchen Geschäften und wie Siemens in Zukunft sicherstellen will, dass diese Mittlerfirmen keine Endabnehmer im Iran beliefern, ging CEO Peter Löscher in keinster Weise ein.
In seiner Hauptrede betonte CEO Löscher wörtlich "Siemens betreibt nur saubere Geschäfte, Immer und überall". Angesicht der mehrmaligen Aufdeckung von Siemenslieferungen über Drittstaaten nach Iran, muss man diesen Satz bezweifeln
 Löscher antwortete auf die Frage von STB nach der Höhe des Umsatzes mit Iran, dass er unter einem Prozent des Gesamtumsatzes des Konzerns sei. Der liegt bei 76 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2010. Ein Prozent wäre 760 Millionen. Es steht zu befürchten, dass somit das Irangeschäft von Siemens im letzten Jahr trotz Verzicht auf Neuverträge ab Sommer 2010 angestiegen ist. Letztes Jahr betrug der Iranumsatz von Siemens etwas mehr als 500 Millionen Euro. Es ist zu fragen, was der Ausstieg Siemens aus dem Iranneugeschäft wert ist.
Auch im Geschäftsbericht 2010 wird mehr am Irangeschäft der Siemens AG verschleiert als aufgeklärt, genaue Zahlen werden nicht genannt, und ein möglicher tatsächlicher Anstieg des Umsatzes und der Aktivitäten im Iran wird auch für die kommenden Jahre angedeutet:
„Wenngleich  wir  erwarten, dass unsere Geschäftsaktivitäten im Iran als Folge der Anwendung der neuen Richtlinien und der damit verbundenen Verringerung  der  Zahl  neuer  Verträge  zurückgehen  werden, wird die tatsächliche Entwicklung unserer Umsätze in der Zukunft stark vom Zeitpunkt und Umfang der Forderungen von Kunden, bereits existierende Verpflichtungen zu erfüllen, abhängen.“ (http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/siemens_gb_2010.pdf)
Ebenfalls im Geschäftsbericht wird erklärt, dass die „Lieferung von Produkten und die Erbringung von Dienstleistungen zur Instandhaltung bestehender Anlagen (zum Beispiel Ersatzteillieferungen sowie Wartungs- und Montageeinsätze)“ weiterhin möglich sei.
Löscher sagte, dass momentan immer noch 230 Mitarbeiter im Iran von Siemens beschäftigt werden.
In Bezug auf Stuxnet sagte Löscher sehr allgemein, dass den Kunden Unterstützung angeboten wurde und dass Stuxnet bei den europäischen Kunden entfernt wurde. Ob auch Siemens Iran Hilfestellung leistete, wurde aus den Bemerkungen Löschers nicht ersichtlich.
Da Löscher in seiner Hauptrede die Verantwortung von Siemens für Menschenrechte betonte, erscheint die vermutete erneute Steigerung des Iranumsatzes als Hohn für die gequälte und gefolterte Bevölkerung Irans, die 2009 zeigte, dass sie in ihrer Mehrheit nach Freiheit und Demokratie strebt.
Ob so für Siemens wirklich der Respekt vor der Würde des Menschen und vor anderen Kulturen im Mittelpunkt steht, wie Löscher ausführte, bleibt zu bezweifeln.
Die Siemensaktie habe sich um 44% gesteigert im letzten Geschäftsjahr und Siemens sei zurück an der Weltspitze. Auch die Heuchelei bezüglich des Irangeschäfts ist Weltspitze.

 

STOP THE BOMB bei der Siemens Jahreshauptversammlung 2010

Presseberichte: hier

Kritische Aktionäre und Aktionärinnen aus der STOP THE BOMB-Koalition werden dem Vorstand und dem Aufsichtsrat von Siemens bei der Jahreshauptversammlung am 26.1.2010 kritische Fragen zum Iran-Geschäft stellen, während vor der Halle eine Protestkundgebung mit Infostand von STOP THE BOMB stattfindet. Unter anderem werden folgende Themen angesprochen:

  • Der Umfang des aktuellen Iran-Geschäftes von Siemens
  • Die iranischen Geschäftspartner von Siemens
  • Der Skandal um die Lieferung von Telekommunikations-Überwachungstechnologie durch Nokia-Siemens-Networks
  • Die politische Situation im Iran
  • Das geplante Joint-Venture mit dem russischen Atomkonzern Rosatom, der auch im Iran aktiv ist.
  • Ein Großauftrag über die Lieferung von Gasturbinen und Turbokompressoren im Wert von 1 Milliarde Euro
  • Dual-Use-Güter von Siemens, die jüngst vom deutschen Zoll und der britischen Navy auf dem Weg in den Iran abgefangen wurden

 

Antworten auf Fragen zum Irangeschäft auf der Siemens-Hauptversammlung 2010

CEO Peter Löscher gab auf die Fragen von Aktionären und STOP THE BOMB Aktivisten folgende Antworten: 

  
Im Oktober 2009 habe der Vorstand beschlossen, künftig keine Neugeschäfte mit iranischen Partnern abzuschließen. Dies gelte aber erst ab Mitte 2010, denn es lägen noch rechtlich verbindliche Angebote aus der Zeit vor diesem Beschluss vor. 
  
Presseberichte über einen neuen Großauftrag im Iran seien falsch. "Das wurde auch bereits von iranischer Seite dementiert", so Löscher. Es handelt sich hier um die Frage nach einem 1 Milliarde Euro Deal über 100 Gasturbinen. Tatsächlich verschwieg Löscher bei dieser Gelegenheit, dass der Auftrag bereits im Jahr 2007 geschlossen wurde, wie zuvor schon das Handelsblatt meldete.[1] Laut AFP wurden von den 100 Gasturbinen erst 45 geliefert, der größte Teil der für den iranischen Energiesektor höchst bedeutenden Lieferung stünde damit also noch aus.[2]

Konkret war die Antwort zur Zahl der Mitarbeiter von Siemens im Iran: Derzeit sind 280 Siemens Mitarbeiter im Iran beschäftigt, hauptsächlich im Servicebereich und in der Administration.

Zu Berichten aus dem Spiegel, in dem Siemens die Lieferung von Turbokompressoren für das iranische Atomprogramm vorgeworfen wurde[3], sagte Peter Löscher, "die Kompressoren seien für zivile Zwecke bestimmt gewesen und unterliegen keiner Ausfuhrbestimmung. Eine Beschlagnahmung durch die deutschen Zollbehörden lag zu keinem Zeitpunkt vor", so Löscher. Der Verweis auf den "zivilen Charakter" der Kompressoren beweist nach Einschätzung von STOP THE BOMB nicht, dass die Turbokompressoren nicht im Atomprogramm verwendet werden.

Der Spiegel-Artikel thematisierte auch die Lieferung von Industrie-Computern an den Iran über China. Der Spiegel meldete, dass diese Computer auch dazu dienen könnten, nukleare Anlagen zu steuern. Peter Löscher sagte dazu, dass es für Siemens keine Anzeichen für eine Weiterlieferung an den Iran gegeben habe. Löscher: "Es lagen uns zu keinem Zeitpunkt Anzeichen für eine mögliche Weiterlieferung an Kunden im Iran vor. Die Ware befindet sich nicht mehr in unserem Besitz. Die Vermutung, Siemens habe gegen Ausfuhrbestimmungen im Zusammenhang mit Produktlieferungen in den Iran verstoßen, sind nicht korrekt. Siemens hält sämtliche nationale und internationale Bestimmungen zur Ausfuhrkontrolle strikt ein, so war es auch in diesem Fall. "
  
Zu einzelnen Aufträgen wollte sich der Vorstandsvorsitzende nicht äußern. Löscher machte lediglich allgemeine Aussagen: Lieferungen an Kunden im Iran stammten aus Produktionsstätten in mehreren Ländern, Siemens Aktivitäten im Iran hätten "zivilen Charakter und Siemens halte sich an europäische und US-amerikanische Embargobestimmungen. 
  
Die Verantwortung für die Lieferung von Telekommunikationsüberwachungsanlagen wies Löscher zurück, die "operative Führung" des Joint Ventures Nokia Siemens Networks liege in den Händen von Nokia. NSN habe sich aber nicht rechtswidrig verhalten. "Auswirkungen auf unser Firmenimage sind nicht erkennbar", so Löscher. 
  
Auch die Frage nach Geschäftsbeziehungen zum Perusa Partners Fund und der Firma Trovicor (an welche die Sparte "Intelligence Solutions" also die Überwachungstechnologiesparte, verkauft wurde) beantwortete Löscher nicht, mit dem Verweis darauf, dass die Verantwortung für die Lieferung der Überwachungssoftware bei Nokia liege.

Warum die Webseite von Siemens SSK im Iran gelöscht wurde, hat Peter Löscher nicht beantwortet, er hat lediglich darauf verwiesen, dass Siemens beschlossen habe, für die Pflege der Internetseite keine Ressourcen mehr bereitzustellen. 
  
Die letzte Hermesbürgschaft habe Siemens im Jahr 2008 für sein Irangeschäft erhalten hat. 
  
Bezüglich des geplanten Joint Ventures mit Rosatom[4] stehe Siemens im Dialog mit der Bundesregierung. Löscher wollte keine Auskunft zum derzeitigen Stand des angestrebten Joint Ventures geben. Fragen nach der Unterstützung des iranischen Atomprogramms durch eine Kooperation von Siemens mit Rosatom wollte Löscher nicht beantworten. Rosatom ist gerade dabei, den iranischen Atomreaktor in Busher fertigzustellen und plant auch weiter, im iranischen Atomprogramm tätig zu sein.[5]


[1] Deutsche Wirtschaft kämpft um Iran-Geschäft, Handelsblatt 20.1.2010, www.handelsblatt.com/politik/_b=2517055,_p=6,_t=ftprint,doc_page=0;printpage

[2] Iran in billion-euro gas deal with Germany, 20.1.2010, news.yahoo.com/s/afp/20100120/wl_mideast_afp/irangermanytradetechnologygas_20100120122431

[3] Siemens High Tech for Iran, 14.12.2009, www.spiegel.de/international/world/0,1518,666900,00.html

[4] Gemeinsame Pressemitteilung der Siemens AG und der Rosatom, 3.3.2009, w1.siemens.com/press/de/pressemitteilungen/