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Freitag, 22. November 2024

Zum Hamburger Arak-Prozess: Iran-Sanktionen und deutsche Kontrollbehörden

letzte Ergänzung: 16.11.2013

Zur STOP THE BOMB Pressemeldung vom 8.11.2013


Zur Presseberichterstattung

Versagen der Kontrollbehörden: Der Fall Arak

Im Hamburger Arak-Prozess wurde deutlich, wie einfach es für deutsche Unternehmer ist, Technologie für den Reaktor Arak, Irans gefährlichstes Atomwaffenprojekt, zu liefern. Beim Betrieb des Schwerwasserreaktors fällt Plutonium an; sämtliche Lieferungen an Arak sind deshalb als proliferationsrelevant verboten, da sie zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen dienen können. Der Arak-Prozess zeigt jedoch, dass genau solche Exporte unter den Augen der deutschen Kontrollbehörden stattfanden.

Das Oberlandesgericht Hamburg verhängte am 8. November 2013 unerwartet milde Strafen gegen vier Händler und Unternehmer. Trotz Haftstrafen zwischen 33 Monaten und 4 Jahren muss nur der Angeklagte Ali K. ins Gefängnis, Rudolf M. und Kianzad K. erhalten Haftverschonung. Der Vermittler Hamid Kh. erhielt eine Bewährungsstrafe. Die Verurteilten hatten in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 92 Spezialventile aus deutscher Produktion für den Einsatz im Plutoniumreaktor Arak in den Iran exportiert sowie die Lieferung von 856 Ventilen aus Indien in den Iran vermittelt. Dabei hatten sie Unterlagen gefälscht, um die Kontrollbehörden zu täuschen. [1]

US-Sicherheitskreise hatten die Bundesregierung bereits im April 2009 darüber informiert, dass der Iran über deutsche Firmen Spezialventile besorgen will. Mehrfach informierten sie deutsche Stellen über weitere Erkenntnisse. Mit mehreren Schreiben zwischen April und September 2009 wurde der im Arak Prozess angeklagte Rudolf M. von der BAFA, dem Bundesamt für Ausfuhrkontrolle, angeschrieben; die BAFA informierte den Unternehmer, dass die iranische Firma MITEC von ihm Ventile für Arak beschaffen wollte. [2]

Auch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes trafen den Unternehmer und hielten fest, dass von ihm eine „Proliferationsgefahr“ ausgehe. Neben BAFA und Verfassungsschutz waren auch das Zollkriminalamt und das Auswärtige Amt informiert. Rudolf M. wurde trotzdem nicht überwacht und exportierte die Spezial-Ventile 2011 über Tarnfirmen in der Türkei und Aserbaidschan. Das Auswärtige Amt winkte den Export ebenso durch wie die BAFA. Der Prozess brachte zutage, dass das Auswärtige Amt in einem Brief an das Bundeswirtschaftsministerium vom Juni 2010 die außenpolitischen Bedenken bzgl. einer Teillieferung der besagten Ventile zurückstellte. [3] Daraufhin erteilte das BAFA einen Nullbescheid, sozusagen eine amtliche Unbedenklichkeitserklärung.

Erst im Frühjahr 2012, also nachdem das Geschäft abgeschlossen war, wurden die Behörden aktiv. Der Bundesgerichtshof stimmte nun einer Überwachung der Verdächtigen zu, die schließlich zu ihrer Verhaftung führte. In der Begründung hieß es, „den deutschen Behörden sei es trotz frühzeitigen und dezidierten Warnhinweisen nicht gelungen, die Ausfuhr der Ventile in den Iran zu verhindern.“ [4]

 

Das Wegschauen hat System

Das iranische Regime ist besonders um deutsche Technologie für sein Atomprogramm bemüht. Dies bestätigte der Präsident des Zollkriminalamts, Norbert Drude, der sich besorgt „über die aggressiven Beschaffungsbemühungen des Iran“ äußerte. Auch Oberstaatsanwalt Christoph Lange hatte bereits 2007 erklärt, bei Hochtechnologie für sein Atomprogramm setze das iranische Regime auf „made in Germany“. [5]

Trotz der „aggressiven Beschaffungsbemühungen“ setzen die deutschen Kontrollbehörden auf Kooperation. Es gelte „zunächst der Grundsatz des freien Warenverkehrs“, heißt es in einer BAFA-Broschüre. [6]

BAFA und Zoll gehen grundsätzlich von der Annahme aus, dass die Firmen korrekt agieren. Wenn die Papiere bei der Anmeldung beim Zoll in Ordnung sind, werde nicht kontrolliert, erklärte ein Zollamtsleiter einem ARD-Team. [7]

Im Arak-Prozess wird deutlich, dass wirksame Maßnahmen auch dann nicht ergriffen werden, wenn konkrete Hinweise auf Proliferation vorliegen. Prozessbeobachter Matthias Küntzel zitierte einen Mitarbeiter des Zollkriminalamtes: „Wenn ich einen Hinweis kriege, gehe ich immer erst mal davon aus: Diese deutsche Firma ist sauber. So arbeitet auch das BAFA … Sie gehen davon aus, dass die Firmen unbedarft sind.“ [8]

Das BAFA versendet „Sensibilisierungsschreiben“ an Firmen, in denen vor potenziellen Sanktionsverstößen und gelisteten Endkunden gewarnt wird. Im Arak-Prozess wurde deutlich, dass Exporte, die zunächst beim BAFA Verdacht erregten, schließlich doch genehmigt wurden, wenn als Endabnehmer einfach der Name einer anderen iranischen Firma angegeben wird als zuvor. [9]

Bei der erforderlichen Erklärung über Endkunden und Endverwendung wurde außerdem auf Originale verzichtet, stattdessen wurden leicht zu manipulierende Scans, Screenshots und Faxe akzeptiert.[10]

 

Bewertung

Auf diese Weise können Sanktionen einfach und ohne großen Aufwand umgangen werden. Dieses Verfahren ist bereits bei normalen Sanktionsverstößen problematisch. Geht es um einen Proliferationsverdacht, ist ein solches Vorgehen jedoch indiskutabel.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Fachmann für Rüstungskontrolle, Klaus Barthel, wandte sich deshalb bereits nach den ersten Berichten schriftlich an die Bundesregierung und erkundigte sich, ob ein „Versagen von Bundesbehörden“ vorläge. Er erhielt eine völlig unzureichende Antwort [11] und erklärte angesichts der Mauer des Behörden-Schweigens: „Der Vergleich mit dem NSU-Verfahren drängt sich auf.“ [12]

STOP THE BOMB hatte bereits im Dezember 2011 darauf hingewiesen, dass das BAFA eindeutige Hinweise auf Sanktionsverstöße ignoriert hat, das WALL STREET JOURNAL berichtete. [13]

STOP THE BOMB hatte eindeutige Hinweise an die BAFA übermittelt, dass es sich beim Endkunden eines Geschäft im Energiebereich um eine Tarnfirma der Revolutionsgarden handelte. Das BAFA hatte die Exporte trotzdem genehmigt. [14]

Erst vor kurzem waren BAFA und Bundesregierung in die Kritik geraten wegen der Lieferung von 111 Tonnen Chemikalien nach Syrien, die auch zur Produktion des Giftgases Sarin verwendet werden können. [15]

Das BAFA unterläuft mit dieser Praxis die internationalen Sanktionsbemühungen. Wenn es, wie im Fall Arak, aber auch im Fall Syriens um die Proliferation für Massenvernichtungswaffen geht, ist eine solche Praxis nicht hinnehmbar. Wenn immer wieder Dokumente und explizite Hinweise auf gefährliche und illegale Iran-Geschäfte ignoriert werden, kann nicht mehr von Inkompetenz gesprochen werden. STOP THE BOMB fordert deshalb die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und die Entlassung des verantwortlichen BAFA-Präsidenten Dr. Arnold Wallraff.

 


[1] Matthias Küntzel, Deutsche Ventile im iranischen Atomprogramm, in: Die Welt v. 27.8.2013, http://www.welt.de/politik/deutschland/article119406069/Deutsche-Ventile-im-iranischen-Atomprogramm.html

[2] Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4.1.2013, BGH StB 10/12 u.a., http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/12/stb-11-12.php

[3] Prozessbeobachtungen Matthias Küntzel

[4] ARD Film, siehe Manuskript: http://www.mdr.de/fakt/iran142.html

[5] Benjamin Weinthal: The German connection, Haaretz v. 22.11.2007, http://www.haaretz.com/weekend/magazine/the-german-connection-1.233790

[6] BAFA (Hrsg.)„Kurzdarstellung Exportkontrolle“, S. 5, http://www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de/arbeitshilfen/merkblaetter/kurzdarstellung.pdf

[7] Zollamtsleiter Martin Lindloff erklärte gegenüber einem ARD-Team: „Wenn wir eine entsprechende Anmeldung haben, haben wir erst mal davon auszugehen, dass diese Anmeldung richtig ist.“ Vgl. „Gefährliche Geschäfte – Deutsche Deals mit dem Iran“, ARD http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/799280_reportage-dokumentation/15879506_gefaehrliche-geschaefte-deutsche-deals-mit-dem

[8] Matthias Küntzel, Deutsche Ventile im iranischen Atomprogramm, in: Die Welt v. 27.8.2013, http://www.welt.de/politik/deutschland/article119406069/Deutsche-Ventile-im-iranischen-Atomprogramm.html

[9] Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4.1.2013, BGH StB 10/12 u.a., http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/12/stb-11-12.php.

[10] Prozessbeobachtungen Matthias Küntzel

[11] Bundestagsdrucksache, 17/14397, PDF hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/143/1714397.pdf

[12] Pressemitteilung: „Bundesregierung verweigert Antwort auf Fragen zu Ventillieferung für iranische Atomanlage“, 12.9.2013, http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/bundesregierung-verweigert-antwort-auf-fragen-zu-ventillieferung-f%C3%BCr-irani

[13] David Crawford: “Sanctions Hit—and Miss—in German Trade With Iran”, in: Wall Street Journal v. 17.12.2011, http://online.wsj.com/news/articles/SB20001424052970204323904577040172793024832

[14] „Bundesamt für Ausfuhrkontrolle hat trotz Warnungen monatelang Iran-Geschäfte genehmigt“, Pressemitteilung STOP THE BOMB v. 21.12.2011, http://de.stopthebomb.net/de/presse/presseaussendungen.html#c2229

[15]  http://www.tagesschau.de/inland/chemikaliensyrien100.html

 

Bundesbehörde BAFA erlaubte Export von Bauteilen für Atomwaffenprogramm in Iran

Pressemeldung, 8.11.2013 

STOP THE BOMB kritisiert mildes Urteil, fordert einen Untersuchungsausschuss und die Entlassung des BAFA-Präsidenten 

Das Oberlandesgericht Hamburg verhängte heute unerwartet milde Strafen gegen vier im Hamburger Arak-Prozess angeklagte Händler und Unternehmer. Trotz Haftstrafen zwischen 33 Monaten und 4 Jahren muss nur der Angeklagte Ali K. ins Gefängnis, Rudolf M. und Kianzad K. erhalten Haftverschonung. Der Vermittler Hamid Kh. erhielt eine Bewährungsstrafe. Die Verurteilten hatten Bauteile für den iranischen Schwerwasserreaktor in Arak geliefert und dabei Unterlagen gefälscht, um die Kontrollbehörden zu täuschen. Sollte der Reaktor in Arak wie geplant im nächsten Jahr ans Netz gehen, würde dort pro Jahr Plutonium für zwei Atombomben erzeugt.  [1]

Der Politikwissenschaftler und Prozessbeobachter Matthias Küntzel kommentiert: „Dieses Urteil hat keine abschreckende Wirkung, da man die beiden Angeklagten aus dem deutschen Mittelstand ohne weitere Inhaftierung laufen ließ. Dies stuft den Schmuggel für iranische Plutoniumanlagen zu einem Kavaliersdelikt herab.“

Der Prozess förderte außerdem ein eklatantes Versagen der deutschen Kontrollbehörden zutage, insbesondere des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Spezialbauteile für das Atomwaffenprogramm wurden trotz mehrfacher Warnungen und Hinweise aus den USA, aber auch von Seiten des deutschen Verfassungsschutzes, in den Iran geliefert. Während das BAFA einen so genannten „Nullbescheid“ erteilte, stellte auch das Auswärtige Amt Bedenken gegen die Exporte zurück. Der Richter sprach von einem „Fehlverhalten“ der Behörden.

Das BAFA wurde bereits im Sommer scharf für das Durchwinken von Giftgaskomponenten-Exporten an das Assad-Regime in Syrien kritisiert. [2] Im Dezember 2011 wies STOP THE BOMB darauf hin, dass die Behörde eindeutige Hinweise auf Sanktionsverstöße bezüglich Iran ignoriert hat. [3]

STOP THE BOMB-Sprecher Michael Spaney kommentiert: „Wenn immer wieder Dokumente und explizite Hinweise auf gefährliche und illegale Iran-Geschäfte ignoriert werden, kann nicht mehr von Inkompetenz gesprochen werden. Mit der Ausfuhrgenehmigung für die Lieferung von Spezialventilen für den Schwerwasserreaktor in Arak macht sich die BAFA mit schuldig an der nuklearen Aufrüstung des menschenverachtenden antisemitischen Regimes in Teheran.“

Das Bündnis STOP THE BOMB fordert deshalb die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und die Entlassung des BAFA-Präsidenten Arnold Wallraff.

Weitere Hintergrundinformationen: http://de.stopthebomb.net/de/deutschland-iran/bafa.html 

[1] Vgl. www.isisnucleariran.org/sites/detail/arak/

[2] www.faz.net/aktuell/politik/ausland/streit-ueber-giftgasangriff-deutschland-hat-syrien-chemikalien-geliefert-12579860.html

[3] de.stopthebomb.net/de/d-iran/hansa.html

 

 

 

Medien

Times of Israel (JTA): German men sentenced for smuggling nuclear components to Iran (16.11.2013)

Michael Spaney: Deutsche Amtshilfe für iranischen Terror (Achse des Guten, 9.11.2013)

Hamburger Abendblatt: Haftstrafen für Kaufleute wegen Iran-Geschäft (9.11.2013)

Michael Rubin, Commentary: What a German Trial says about Iran's aims (8.11.2013)

Pressemeldung STOP THE BOMB: Bundesbehörde BAFA erlaubte Export von Bauteilen für Atomwaffenprogramm in Iran (8.11.2013)

Matthias Küntzel, Interview Radio Dreyeckland: Wie Plutoniumtechnik made in Germany in den Iran kam (5.11.2013)

Die Welt: Matthias Küntzel: Deutsche Ventile im iranischen Atomprogramm (27.8.2013)

ARD, Fakt: Illegale Iran-Geschäfte: Behörden griffen nicht ein (25.6.2013)

ARD: Gefährliche Geschäfte - deutsche Deals mit dem Iran (Juli 2013)