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Donnerstag, 10. Oktober 2024

Protest gegen iranischen Vize-Minister und die Stiftung DGAP am 26.10.2011 in Berlin

Zu den Protesten gegen die Einladung des iranischen Außenministers Salehi zur DGAP im Februar 2013 siehe hier.

Nachdem STOP THE BOMB kurzfristig von einem nicht-öffentlichen Auftritt des iranischen Vize-Finanzministers Mohammed Reza Farzin am 26.10.2011 in Berlin erfuhr, konnte erfolgreich ein lautstarker Protest mit 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern organisiert werden. Der iranische Vize-Finanzminister ist einer der hochrangigsten Regierungsmitglieder, die in den letzten Jahren in die EU eingeladen wurden. Deutschland steht damit wieder einmal an der Spitze der Legitimierung des iranischen Regimes. Nach Ankündigung unserer Proteste hat Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP, seine Teilnahme bei der Veranstaltung offiziell wegen Terminproblemen abgesagt. Wir bedanken uns bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern bei dieser Aktion!

Ein in der WELT erschiener Bericht über die Veranstaltung hat unsere Einschätzung solcher "kritischer Dialoge" voll und ganz bestätigt, weshalb STOP THE BOMB auch zukünftig gegen jegliche Hofierung iranischer Regimekräfte protestieren wird. 

Auf dieser Seite finden Sie u.a. eine Presseschau, Videos von der Kundgebung, den Text eines Grußwortes des Simon Wiesenthal Centers und unsere Presseerklärung sowie einen Protestbrief der Journalistin Saba Farzan. Matthias Küntzel hat eine Analyse des letzten Iran-Strategiepapiers der DGAP verfasst, die Sie hier finden. 

 

Redebeitrag von Thomas von der Osten-Sacken





Grußwort von Rabbi Abraham Cooper (Simon Wiesenthal Center)

Rabbi Abraham Cooper, Associate Dean am Simon Wiesenthal Center, im Namen der 400.000 Mitglieder des Simon Wiesenthal Centers:

"Einen hochrangigen iranischen Beamten zu einem Dialog über 'Problemlösungen in Afghanistan' einzuladen ist wie einen professionellen Brandstifter aufzufordern, Behörden bei der Bekämpfung von Waldbränden zu beraten. Darüber hinaus ist das Versprechen einer möglichen deutschen 'Energie-Kooperation' mit der Mullahkratie in Teheran zu einem Zeitpunkt, wo die EU und die USA kämpfen, um Irans Nuklearambitionen zu vereiteln, mehr als unverantwortlich. Dies stärkt und ermutigt das Regime, das die Leugnung des Holocaust verbreitet, und dessen Präsident droht, Hitlers job zu vollenden, indem er die Vernichtung des jüdischen Staates androht und dessen Politik täglich die Stabilität des gesamten Mittleren Ostens und anderer Regionen bedroht.

Das Feigenblatt, dass dieses Treffen von einer Stiftung arrangiert ist, kann niemanden täuschen. Wir fordern die deutschen Behörden auf, die Einreise eines führenden iranischen Offiziellen zu untersagen und die Stiftung stattdessen aufzufordern, ein Treffen der Solidarität für die unzähligen Iraner einzuberufen, die wegen ihrer pro-demokratischen Ansichten oder religiösen Überzeugungen eingekerkert sind."

 

Protest gegen Einladung des iranischen Vize-Finanzministers zur Stiftung DGAP

Islamische Republik kein Partner in Afghanistan - STOP THE BOMB fordert die Absage der Veranstaltung mit Mohammad Reza Farzin und Rainer Stinner (FDP)

STOP THE BOMB Presseerklärung, 24.10.2011

Für den kommenden Mittwoch, 26. Oktober 2011 lädt die teilweise aus Bundesmitteln finanzierte Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu einem „Expertengespräch“ mit Mohammad Reza Farzin, dem Vizefinanzminister der Islamischen Republik Iran und Rainer Stinner, dem außenpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.[1]

Dabei soll es unter anderem um eine mögliche Energiekooperation mit dem Iran, aber auch um Möglichkeiten einer "Partnerschaft" bei der „Bewältigung der Probleme in Afghanistan“ gehen.

„STOP THE BOMB ist empört, dass Mitglieder des Bundestages auf diese Weise die Sanktionen der EU gegen das iranische Regime schwächen, die insbesondere auf den Energiesektor zielen", so Michael Spaney, Sprecher der Kampagne STOP THE BOMB. „Wir fordern die Absage der Veranstaltung. Angesichts des jüngsten Mordkomplotts des iranischen Regimes in den USA ist das Treffen zudem ein gefährliches Signal des Nachgebens gegenüber terroristischen Methoden“, so Spaney weiter. 

STOP THE BOMB warnt vor der Einschätzung, der Westen habe mit dem iranischen Regime in Afghanistan gemeinsame Interessen. "Wir halten dies insbesondere im Vorfeld der für Dezember geplanten Afghanistan-Konferenz in Bonn für eine gefährliche Illusion", sagt Michael Spaney. "Spätestens die Wikileaks Enthüllungen haben gezeigt, dass das iranische Regime für die Tötung von Soldaten der ISAF Truppen in Afghanistan verantwortlich ist. Das Regime ist zudem selbst in den Drogenhandel verwickelt und unterstützt islamistische Terrorgruppen in Afghanistan wie die Taliban und Al Quaeda." [2]

Auch Paulo Casaca, Leiter des South Asia Democratic Forum (SADF), der zurzeit eine Delegation führender afghanischer Frauenrechtlerinnen durch Europa begleitet, warnt vor dieser Einschätzung. "Gemeinsame Interessen mit islamistischen Kräften in Afghanistan gibt es nicht. Anstatt den Einfluss des iranischen Regimes in Afghanistan zu stärken, sollten westliche Staaten demokratische Kräfte im Land unterstützen. Die bedeutenden Verbesserungen der Frauen- und Mädchenrechte würden zurückgenommen werden, wenn islamistische Kräfte die Möglichkeit haben, Afghanistans Zukunft zu bestimmen", so Casaca weiter.

STOP THE BOMB hat die DGAP aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen und wird am 26. Oktober vor der DGAP, Rauchstraße 17/18 in 10787 Berlin, gegen das Treffen protestieren.

*****

[1] STOP THE BOMB hat Rainer Stinner bereits im Juli 2010 kritisiert, als er kurz nach Beschluss der EU-Sanktionen in den Iran reiste. Die Sanktionen werden so von deutscher Seite entkräftet und konterkariert, hieß die Kritik von STOP THE BOMB damals. Vgl. de.stopthebomb.net/de/stinner.html. Die Zeit schrieb: "Der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner besucht Iran. Damit torpediert er die Iran-Sanktionen der EU", vgl. www.zeit.de/politik/ausland/2010-08/rainer-stinner-iran-atomstreit

[2] Eine "finanzielle Unterstützung operativer Al-Quaeda Zellen" durch das iranische Regime konstatiert auch die DGAP in einem aktuellen Analyse-Papier zur Iran-Politik der USA: www.dgap.org/2011/10/18/von-der-eindammung-zur-entspannung-am-golf/ (S. 16.) Vergleiche zu den Wikileaks-Enthüllungen: www.guardian.co.uk/world/2010/dec/02/afghan-mps-scholars-iran-payroll, dort auch Links zu zentralen Wikileaks-Dokumenten. Das instrumentelle Verhältnis der Islamischen Republik zur Drogenbekämpfung verdeutlichte im Mai 2011 der so genannte "Menschenrechtsbeauftragte" des Regimes, Mohammad Dschawad Laridschani, als er freien Transit für den Drogenschmuggel nach Europa androhte, falls der Westen weitere Kritik an Menschenrechtsverletzungen übe. http://www.welt.de/politik/ausland/article13371692/Iran-droht-Westen-mit-Transit-von-Drogen-nach-Europa.html

 

„Umkehr der bisherigen Iran-Politik“

Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik lädt den iranischen Vize-Wirtschaftsminister zu sich ein

von Matthias Küntzel

Als „eine Schande“ bezeichnet die Deutsch-Iranerin Saba Farzan das „Expertengespräch“, das die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik am Mittwoch dieser Woche (26. Oktober 2011) in der Berliner Rauchstraße 17, dem früheren Amtssitz Alfred Rosenbergs und dem heutigen Haus der DGAP, durchzuführen gedenkt: Hier soll der Vize-Wirtschaftsminister des iranischen Regimes, Mohammad Reza Farzin, mit dem außenpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Stinner, über „Bereiche“ diskutieren, in denen, so die Einladung, „die [deutsche] Zusammenarbeit mit dem Iran vorsichtig ausgebaut werden kann.“ Das Aktionsbündnis „Stop the Bomb“, das über diese Veranstaltung erstmals berichtete, wirbt für eine Protestkundgebung vor Ort.[i]

„Ausbau der Zusammenarbeit“ mit einem Regime, das dem jüngsten UN- Menschenrechtsbericht zufolge in 2010 mehr als 300 geheime Exekutionen im Gefängnis von Mashhad und in 2011 mehr als 200 offizielle Hinrichtungen durchführen ließ; das Gefangene foltert, Minderheiten verfolgt und Künstler und Journalisten brachial unterdrückt?[ii]

„Ausbau der Zusammenarbeit“ mit einer Regierung, deren Menschenrechtsverletzungen auch die Europäische Union noch diesen Monat mit Sanktionen ahndete und dessen Griff zur Bombe die Regierungschefs in Washington, Paris und London jüngst wieder zu dem Aufruf veranlassten, den Druck auf Teheran zu erhöhen?[iii]

„Rational“ betrachtet ergäbe solch ein „Verhalten einfach keinen Sinn“, protestiert die Soziologin Saba Farzan in ihrem Offenen Brief an Prof. Sandschneider, dem Forschungsdirektor der DGAP. Dem widerspricht jedoch das 30-seitige Analysepapier, das die DGAP im Oktober 2011 zur Perspektive westlicher Iranpolitik veröffentlichte.

Darin fordert die DGAP „eine Umkehr der bisherigen Iran-Politik“ und „eine umfassende Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen“ mit Iran. „An Stelle einer zu engen Fokussierung auf die Atomfrage“ sei „es nun um so entscheidender, dass die USA und ihre Verbündeten den außenpolitischen Druck nicht weiter erhöhen, sondern im Gegenteil Druck abbauen“ und Sanktionen aussetzen.[iv]

Diese Orientierung setzt die Akzeptanz der iranischen Bombe und die Hinnahme des iranischen Terrors voraus. Auf beiden Gebieten tat sich Prof. Eberhard Sandschneider, der Herausgeber des jüngsten Analysepapiers, hervor. „Man darf nie Moral mit strategischen oder wirtschaftlichen Interessen vermischen“, erklärte er 2009 dem Berliner Tagesspiegel. „Iran wird ein Nuklearstaat werden, ohne dass der Westen dies verhindern kann“, zitierte ihn kurz darauf auch der Spiegel.[v]

Dementsprechend selbstverständlich geht die jüngste DGAP-Analyse von der Existenz der iranischen Atombombe aus, einer Bombe, die man hier – im Kontrast zu allen sonstigen Forschungspublikationen der westlichen Welt – mit positiven Attributen versieht: „Der nächste Schritt zur militärischen Nutzung könnte dem Iran als Atommacht Großmachtstatus und damit internationale Anerkennung und Respekt verleihen. Schließlich verspräche die Herstellung von Atomwaffen und deren Trägersysteme ein hinreichendes Abschreckungspotential gegenüber äußeren Aggressoren und damit Sicherheit.“[vi]

Professor Sandschneider, der zwischen Moral und wirtschaftlichen Interessen so säuberlich trennt, als habe es unternehmerische Erträge aus der Zyklon B-Produktion nie gegeben, wird bei dem bevorstehenden Besuch des iranischen Regierungsmitglieds die Moderation übernehmen und einem Bundestagsabgeordneten das Wort erteilen, der das Postulat vom Vorrang der Ökonomie offenkundig teilt.

Dies jedenfalls belegt Rainer Stinners Antwort auf die Frage, warum die FDP die iranischen Revolutionsgarden nicht auf die europäische Schwarze Liste setzen will. „Die Aufnahme der Revolutionswächter in die EU-Terrorliste wäre das falsche Instrument“, erwiderte er. „Denn die Revolutionswächter kontrollieren ein Drittel der iranischen Wirtschaft.“ Kämen sie auf die Terrorliste „so hätte das faktisch ein großflächiges wirtschaftliches Embargo zur Folge.“ Dies aber sei weder im Interesse Deutschlands noch der EU.[vii]

Ob Rainer Stinner auch jene „strategischen Interessen“ teilt, die Prof. Sandschneider „nie mit Moral“ vermischen will, steht dahin. Immerhin zeugen sowohl das DGAP-Analysepapier als auch die geplante Veranstaltung mit dem iranischen Regierungsvertreter, dass „das nationale Netzwerk für deutsche Außenpolitik“, so die Selbstdarstellung der DGAP, eine Abwendung von der Iranpolitik des Westens empfiehlt – eine Abwendung, wie sie im Falle Libyens kürzlich noch auf massiven publizistischen Widerstand stieß.

Als im März dieses Jahres der deutsche Außenminister bei einer UN-Resolution über Libyen zu den westlichen Verbündeten auf Distanz ging und mit Russland und China paktierte, wurde dieser heftig kritisierte Vorgang oft als Wahlkampfmanöver eines untergehenden Parteiführers abgetan. Dass dem nicht so war, sondern dass bereits die Libyen-Entscheidung ein „Ausdruck langfristiger Veränderungen der außen- und sicherheitspolitischen Orientierung Deutschlands“ gewesen ist – darauf wies am 24. Oktober 2011 der Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Seibel in einem ganzseitigen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hin.

Wenn das Auswärtige Amt, so Seibel, im Zusammenhang mit der Libyen-Entscheidung, von „neuen Kraftzentren der Welt“ spreche, mit denen „man ,strategische Partnerschaften‘ als zwingend notwendige Bausteine einer Weltregierung eingehen müsse“, dann sei dies eine Folge der „latente(n) Scharnierstellung Deutschlands zwischen EU und Nato einerseits und den nichtdemokratischen Großmächten Russland und China andererseits“ und ein Indikator für die „deutsche Neigung, aus der geopolitischen Mittellage den größtmöglichen Profit zu ziehen.“

Vor diesem Hintergrund erscheine „trotz aller Lippenbekenntnisse … eine ,wertgebundene Außenpolitik‘ wenig attraktiv, weil sie aufwendig ist, innenpolitisch wenig Unterstützung findet und außenpolitisch zu Spannungen mit den ,neuen Kraftzentren in der Welt‘ führen kann.“[viii]

Vielleicht auch zu Spannungen mit dem „neuen Kraftzentrum“ Iran, das sich „heute im Gegensatz zu 2002/2003 in einer strategisch deutlich besseren Situation“ befindet, wie das DGAP-Analysepapier betont?

Wolfgang Seibel hat seine Analyse auf deutsche strategische Partnerschaften mit den traditionellen „neuen Kraftzentren der Welt“ – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – beschränkt. Dass die deutschen Iran-Diplomatie seinen Befund bestätigt, habe ich an anderer Stelle gezeigt.[ix]

Ob die neue Außenpolitik aber „im Kern auf einem Konsens der politischen Klasse des Landes beruht“, wie Professor Seibel in seiner Darstellung insinuiert, ist zumindest im Falle des Iran noch nicht ausgemacht. Denn es fällt auf, dass die DGAP den Besuch des iranischen Vizeministers auf ihrer Homepage verschweigt. Offensichtlich sollte von dieser Veranstaltung nur ein bestimmes Segment „der politischen Klasse“ erfahren.

Und in der Tat ist „rational betrachtet“ eine Politik, die den „Ausbau der Zusammenarbeit“ mit dem Regime in Teheran mit dem „deutschen Interesse“ gleichsetzt, nur für ein bestimmtes Segment deutscher Außenpolitiker attraktiv: Jenem nämlich, das im Verfolg einer zynischen und abenteuerlichen Idee einen hohen Preis zu zahlen bereit sind.

Gewiss, der bevorstehende Besuch des iranischen Regierungsvertreters bei der DGAP ist eine „Schande“. Mehr aber noch ist er eine Selbstoffenbarung.

Dieser Artikel wurde zuerst auf der Seite des Autors veröffentlicht: www.matthiaskuentzel.de/contents/umkehr-der-bisherigen-iran-politik


[i] http://de.stopthebomb.net/de/dgap.html; hier befindet sich auch ein Briefwechsel zwischen Ulrike Becker (Stop the Bomb) und Paul Freiherr von Maltzahn, dem geschäftsführenden stellvertretenden Präsidenten der DGAP, über diese Veranstaltung.

[ii] Nikola Krastev, UN Report Highlights Irans’s Secret Executions, Radio Free Europe, October 21, 2011.

[iii] Associated Press, EU expands sanctions against Iran over human rights abuses, October 10, 2011; Hurriyet Daily News, Europe signals more sanctions on Tehran, October 19, 2011.

[iv] Simon Koschut, Engagement ohne Illusionen? Die Iran-Politik der USA unter Barack H. Obama, DGAP-Analyse, Oktober 2011, No. 3, S. 20ff.

[v] Im Strategiestau, in: Der Spiegel, 40/2009, 28. September 2009 sowie Jan Oberländer, Made in Germany für Diktatoren, in: Tagesspiegel, 21. Juni 2009.

[vi] Simon Koschuf, a.a.O., S. 20.

[vii] Antwort von Dr. Rainer Stinner auf eine schriftliche Anfrage von Dr. Stephan Grigat (Wien) vom 17. Dezember 2009.

[viii] Wolfgang Seibel, Prinzipienlosigkeit als Prinzip, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Oktober 2011, S. 7.

[ix] Siehe meinen Beitrag „Berlin lässt iranische Bank in Hamburg fallen“ vom 15. Mai 2011 auf www.matthiaskuentzel.de sowie mein Buch „Die Deutschen und der Iran“, Berlin 2009.

 

Protest gegen die Veranstaltung - Brief an die DGAP von Saba Farzan

Sehr geehrter Prof. Sandschneider,

mit großer Enttäuschung habe ich heute von Ihrer Veranstaltung mit dem stellvertretenden Wirtschaftsminister der Islamischen Republik Iran an diesem Mittwoch erfahren. Ich protestiere entschieden gegen solch eine Aufwertung des Terrorregimes in Teheran. Aus dem Einladungstext entnahm ich die Frage ob eine Politik aus Konfrontation und Kooperation möglich ist. In der Realität beleuchtet diese Frage ein Dilemma – eines, das eigentlich nur in Berlin zu finden ist. Es ist ein Dilemma zwischen dem Widerstand das iranische Regime als das zu sehen was es ist und der Wunschvorstellung, die niemals eintreffen wird. Tatsache ist, die Herrschaft der Islamischen Republik ist moralisch bankrott und demnächst auch noch finanziell am Ende – spätestens, wenn die iranische Zentralbank sanktioniert wird. Ob Demokratie oder Diktatur - man braucht ja schon Zugang zum internationalen Finanzverkehr, um zu überleben.

Also, diese genannte Wunschvorstellung das iranische Regime als Kooperationspartner zu halten wird, so sehr sich auch Think Tanks und Politiker in Deutschland bemühen, nicht eintreten. Bereits für eine viel zu lange Zeit wurde ignoriert, dass das Regime in Teheran diametral andere Interessen in Afghanistan – und übrigens auch im Irak – verfolgt als wir und unsere internationalen Partner. Ein solches Regime, das für den Tod unserer Soldaten und unserer Verbündeten verantwortlich ist lädt man also nicht zu einem Gespräch ein. Man kommuniziert in jeder möglichen Form, dass es einen Preis hat unserer Staatsbürger zu töten und man setzt alle Hebel in Bewegung den Einfluss eines solchen Regimes zu dämmen. In Deutschland ist diese Position durchaus unter mehreren Politikern vertreten – Herr Dr. Stinner gehört nicht zu ihnen. Im Gegenteil ist MdB Dr. Stinner bereits mehrfach durch regimefreundliche Statements aufgefallen und eine besonders bittere Ironie ist, dass die liberale Orientierung der iranischen Zivilgesellschaft hier für einen FDP – Politiker ein Hindernis für die ausgeprägte Zusammenarbeit ist mit einem der anti – liberalsten Regime dieser Welt. Nun, von MdB Dr. Stinner sind wir bereits einiges gewöhnt und von daher ist auch dieser neue Tiefpunkt keine wirkliche Überraschung.

Aber, lieber Prof. Sandschneider, erlauben Sie mir die Frage warum ausgerechnet die DGAP bei einer solchen Veranstaltung mitmachen muss? Warum muss die DGAP an einem Tag an dem die Bertelsmann Stiftung fast zeitgleich eine herausragende Veranstaltung zu den ersten demokratischen Wahlen in Tunesien anbietet den Vertreter eines Regimes in ihren Räumen empfangen, das die Wahlstimmen seiner eigenen Bevölkerung verachtet? In der jetzigen Situation gibt es nur zwei Positionen, die man in der Iranfrage vertreten kann: entweder visionär, die sehr nahe Zukunft einer jungen iranischen Generation in Demokratie und Freiheit zu sehen oder auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen. Möchte die DGAP auf der falschen Seite der Geschichte stehen? Ist es so schwer vorstellbar, dass Unrecht nicht ewig existieren kann und dieser arabische Frühling offen gelegt hat wo unsere Defizite in der Außenpolitik liegen und diese nun auch im Fall des Irans zu korrigieren sind? Wir hier im Westen gehen kein Risiko ein solches Terrorregime in seine Schranken zu weisen – denn für die Menschen, die tagtäglich ihr Leben riskieren ist es das absolute Minimum an Unterstützung, das wir geben können und müssen. Zumal ja auch die Regimevertreter müde geworden sind – mehr als dreißig Jahre amerikanische und israelische Fahnen nähen und anzünden ist wirklich anstrengend und nicht so toll für die Ausstrahlung.

Lieber Prof. Sandschneider, auf meinen Reisen im europäischen Ausland und in den USA werde ich als deutsch - iranische Journalistin immer wieder gefragt warum Deutschland die Bremse ist in der Iran – Frage – die Bremse bei Sanktionen, die Bremse bei diplomatischem Boykott, die Bremse bei vielen Punkten um hier zu Fortschritten zu kommen. Die Wahrheit ist: ich kenne die Antwort nicht. Rational ergibt unser Verhalten einfach keinen Sinn. Würde ich die Antwort kennen hätte ich das strategische Problem schon längst gelöst. Ich kann nur eines tun -  entschieden für eine andere Iranpolitik werben und deutlich aufzeigen, dass Veranstaltungen und Kooperationsgespräche mit einem barbarischen Regime für mich als Deutsch – Iranerin vor allem eins sind: eine Schande.

Mit besten Grüßen
Ihre
Saba Farzan

 

Antwort der DGAP auf einen Brief von STOP THE BOMB

25. Oktober 2011

Sehr geehrte Frau Becker,

ich habe Ihre gestrige Mail zur Kenntnis genommen.

Der Iran ist ein schwieriger, aber ein wichtiger Staat, den man nicht einfach ignorieren kann. Auch bei unterschiedlichen Grundeinstellungen ist es wichtig, den politischen Kontrahenten zu Wort kommen zu lassen.

Die DGAP sieht sich als unabhängiges Diskussionsforum für eine Vielzahl von Meinungen an. Dazu gehören auch Meinungen, die unbequem sind. Auch das gehört zur außenpolitischen Meinungsbildung in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Freiherr von Maltzahn

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Berlin, 24.10.2011

Sehr geehrter Freiherr von Maltzahn,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Mit großem Entsetzen haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die DGAP dem iranischen Vize-Finanzminister, Hr. Mohammad Reza Farzin, am kommenden Mittwoch, den 26. Oktober 2011 eine Bühne bietet und mit ihm unter anderem eine Energiekooperation und eine Partnerschaft in Afghanistan erörtern will.

Wir fordern Sie hiermit auf, die Veranstaltung abzusagen. Wir sind empört, dass Ihre Stiftung, die teilweise aus Bundesmitteln finanziert ist, eine mögliche deutsch-iranische "Energiepartnerschaft" mit dem jetzigen iranischen Regime in Aussicht stellt. Dies läuft den EU-Sanktionen, die insbesondere auf Irans Energiesektor zielen, zuwider und sendet ein Signal des Dialogs an ein Regime, das gerade wieder einmal bewiesen hat, dass es auch vor terroristischen Methoden in unseren Partnerländern nicht zurückschreckt.

Alarmiert sind wir auch von der Einschätzung, Deutschland habe mit dem iranischen Regime in Afghanistan gemeinsame Interessen. Spätestens die Wikileaks Enthüllungen haben gezeigt, dass das iranische Regime für die Tötung von Soldaten der ISAF Truppen in Afghanistan mit verantwortlich ist. Das Regime ist zudem selbst in den Drogenhandel verwickelt und unterstützt islamistische Terrorgruppen in Afghanistan wie die Taliban und Al Quaeda.

Das iranische Regime hat im Inneren keine Legitimation, wie spätestens die Proteste seit Juni 2009 zeigen. Auch die massiven Menschenrechtsverletzungen beweisen dies. Erst recht keine Legitimation hat das Regime aber in seinem Anspruch, auf die Verhältnisse in Afghanistan Einfluss zu nehmen. Auch die Menschen in Afghanistan haben bereits gegen den Einfluss des iranischen Regimes im Land demonstriert.

Es ist uns vollkommen unverständlich, wieso eine deutsche demokratische Institution den Iran dabei unterstützen will, seinen Einfluss zu festigen und auszudehnen – wobei Islamismus und terroristische Anschläge indirekt gefördert würden. Eine Partnerschaft mit der Islamischen Republik würde säkulare und demokratische Kräfte, insbesondere Frauenorganisationen, endgültig islamistischen Einflüssen ausliefern – und das bedeutet Gender-Apartheid, islamistischer Terror, Misswirtschaft und Diktatur. Das wirft aus unserer Sicht ein zweifelhaftes Licht auf Ihre Stiftung.
Mit der These einer Partnerschaft mit dem iranischen Regime senden Sie der internationalen Öffentlichkeit auch das Signal, dass die DGAP an Frauenrechten und Demokratie in Afghanistan (und im Iran) nicht interessiert ist.

STOP THE BOMB wird gegen die Veranstaltung in der Rauchstraße 17 am kommenden Mittwoch demonstrieren, falls die Veranstaltung nicht abgesagt wird.

Hochachtungsvoll,

Ulrike Becker
STOP THE BOMB Kampagne

Presse

Freie Radios - Jonathan Weckerle zu geplanter Wirtschaftshilfe für den Iran (3.11.2011)

Jungle World - Zuckerbrot und Peitsche (3.11.2011)

Jerusalem Post - EU trip to Iran canceled amid international criticism (28.10.2011)

WELT - "Schaden öffentliche Hinrichtungen nicht dem Tourismus?" (27.10.2011)

haOlam - Protest gegen Berlin-Besuch des iranischen Vize-Finanzministers (27.10.2011)

Ynet News - Iranian official visits Germany despite Israel's protest (26.10.2011)

Factum - Protest: Deutschland schwächt Iran-Sanktionen (25.10.2011)

Matthias Küntzel - "Umkehr der bisherigen Iran-Politik" (25.10.2011)

Audiatur - Unmut wegen Iran-Treffen (25.10.2011)

 

Einladung der DGAP