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Freitag, 19. April 2024

Iran Sanktionen: Wie geht es weiter?

Ein koordiniertes Vorgehen von USA und Europäischer Union wird über Erfolg oder Misserfolg entscheiden

Wir dokumentieren hier Auszüge eines Artikel von STUART E. EIZENSTAT 

Wall Street Journal, 2. Juli 2010

Übersetzung: STOP THE BOMB

Die überwältigende internationale Unterstützung für die neuen vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen den Iran ist einer der greifbarsten Erfolge der Außenpolitik der Obama-Administration. Wenn auch nicht zwingend, fordern diese neue Sanktionen von den Staaten, jegliche finanziellen Dienstleistungen zu verhindern, die zu Irans Nuklearprogramm beitragen, einschließlich Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäfte, Einfrieren von Vermögenswerten und Verbot neuer Bankbeziehungen.

Die Frage ist nun, inwiefern die Europäische Union und die Vereinigten Staaten in der Lage sein werden, das rechtliche Fundament der UN-Sanktionen zu nutzen, um den Iran in einer koordinierten Strategie unter Druck zu setzen.

Im Anschluss an die UN-Abstimmung vom 9. Juni erweiterte die Obama-Administration ihr Sanktionsregime, das sich nun auch gegen eine staatliche Bank sowie gegen zwanzig Erdöl- und Petrochemiebetriebe sowie gegen Versicherungen richtet. Gestern unterzeichnete der Präsident neue Sanktionen des US-Kongresses, die diejenigen internationalen Firmen vom amerikanischen Markt ausschließen, welche UN-sanktionierten iranischen Banken helfen.

Nun liegt die entscheidende Bewährungsprobe bei der EU. Sie muss trotz ihre traditionellen Handelsbeziehungen mit dem Iran beenden und entschlossene Maßnahmen treffen, um einen Atomstaat Iran zu verhindern.

Das Ziel von Sanktionen gegen den Iran ist es, die Kosten für die Fortsetzung des  Atomprogramms höher zu machen als dessen Nutzen. Das Abschotten der Finanzquellen, die das Regime nutzt um sein Atomprogramm zu finanzieren, ist der effektivste Weg, sein Verhalten zu ändern. Iran ist nicht Nordkorea: Es ist eine bedeutende Volkswirtschaft, die sehr stark von den Einnahmen des Energiesektors abhängig ist, um das Atomprogramm aufrechtzuerhalten.

Iran nutzt die Unterschiede in den Sanktionsregelungen verschiedener Länder geschickt aus, um seine nuklearen Aktivitäten zu finanzieren. Deshalb ist es entscheidend, dass die EU und die USA die Unterschiede ihrer Sanktionsregelungen aufeinander abstimmen und dann auf ihre Verbündeten einwirken, die gleichen Maßnahmen zu ergreifen.

Als ersten Schritt sollte die EU alle iranischen staatlichen Banken auf ihre Sanktionsliste setzen. Frühere UN-Resolutionen richteten sich 2007 nur gegen eine einzige iranische staatliche Bank, die Bank Sepah, wegen deren Rolle bei der Finanzierung des iranischen Nuklearprogramms. Die neuen UN-Sanktionen fügten nur eine Tochtergesellschaft einer anderen iranischen Bank hinzu. Die USA sind weiter gegangen. Sie fügten dieser Liste addierten alle anderen großen staatseigenen Banken, insgesamt 16, hinzu; einschließlich der Bank Mellat, der Future Bank, der Export Development Bank und der Bank Saderat. Seit der UNO-Abstimmung nahmen die USA auch die Postbank auf diese Liste und sperrten ihr damit den Zugang zum Dollarmarkt.

In der EU sieht es völlig anders aus. Im Jahr 2008 untersagte sie allen europäischen Unternehmen Geschäfte mit der Melli Bank zu machen. Sie unternahm aber nichts gegen irgendeine andere iranische Bank. Dabei hat die UNO die Melli Bank niemals explizit auf die Liste gesetzt, sondern nur zur "Wachsamkeit" bei finanziellen Verbindungen zu dieser Bank aufgerufen. Dieser Mangel an transatlantischer Übereinstimmung ist unakzeptabel  und belohnt allein Teheran.

Die EU sollte gegen alle iranischen staatlichen Banken und deren Tochtergesellschaften Sanktionen verhängen, und alle Transaktionen mit ihnen im Euro-Bereich verhindern. Sie alle sind in die Unterstützung des illegalen Waffenhandels involviert, und sie alle finanzieren Tarnfirmen für das Atomwaffenprogramm. Nimmt man auch nur ein einziges Institut von der Sanktionsliste heraus, lädt man den Iran lediglich ein, seine Transaktionen auf diese zu verlagern. Sie beschädigen allesamt die Integrität des globalen Finanzsystems.

Zweitens sollte die EU ihre Sanktionen systemisch machen. Amerikas Sanktionen umfassen sämtliche Transaktionen von iranischen staatlichen Banken - nicht nur diejenigen, die direkt mit nuklearen Aktivitäten in Zusammenhang stehen. Die USA untersagen Dollar-Transaktionen, in die der Iran involviert ist wenn sie über die Vereinigten Staaten abgewickelt werden. Im Moment hat die EU keine entsprechenden Regelungen. Sie sollte sie aber haben.

Die EU sollte alle Euro-notierten Transaktion verbieten, in die der Iran involviert ist und die über europäische Banken abgewickelt werden. Seitdem das Verbot der USA in Kraft ist, haben iranische Banken und Tarnfirmen viele ihrer Transaktionen, die im Zusammenhang mit dem Nuklearprojekt stehen, von Dollar auf Euro umgestellt. Nur durch ein Verbot kann die EU daher ihre eigenen Banken davor schützen, unwissentlich zur Finanzierung der nuklearen Proliferation beizutragen.

Drittens sollten sich die EU und USA darauf einigen, allen Versicherungsgesellschaften in ihrem Einflussbereich die Versicherung oder Rückversicherung von allen Schiffen zu untersagen, die raffiniertes Erdöl - Iran importiert 40% seines Bedarfs - an den Iran liefern und jede neue Investition in Irans Öl- und Gassektor zu verbieten. 

Als vierter Schritt sollte die EU gemeinsam mit den USA in multilateralen Gremien außerhalb der UN daran arbeiten, die Zahl der Länder zu erweitern, die ernsthafte finanzielle Sanktionen durchführen. Eine europäisch-amerikanische Zusammenarbeit würde auch Japan ermuntern, die gleiche Art von Maßnahmen für Yen-notierte Transaktionen zu ergreifen. Wenn Japan dies täte, wäre der Iran an der Finanzierung seiner nuklearen Aktivitäten in den drei wichtigsten internationalen Währungen gehindert. Die EU und die USA sollten gemeinsam mithilfe der 34 Nationen umfassenden Financial Action Task Force aktiv werden, die bereits bei der Begrenzung der Geldwäsche eine wirksame Rolle gespielt hat, um deren Arbeit hinsichtlich der Finanzierung des iranischen Nuklearprogramms zu intensivieren.

Schließlich ist es an der Zeit, ein grelles Licht auf die Zentralbank des Iran zu werfen. Die neue UN-Resolution betont die Notwendigkeit, die Aktivitäten dieser Bank „wachsam“ zu verfolgen. Die EU und die USA sollten jedoch darüber hinaus gehen.

Außer in Zeiten des Krieges gelten Zentralbanken wegen der potenziellen Störungen im globalen Finanzsystem als sakrosankt. Irans Zentralbank jedoch hat ihren besonderen Status eingebüßt. Sie funktioniert wie keine andere Zentralbank. Sie ist nicht nur Irans monetärer Arm, sondern sie kaschiert finanzielle Transfers, unterstützt iranische Banken und Unternehmen darin, Sanktionen zu umgehen und hilft Tarnfirmen, Technologie und Teile für das Nuklearprogramm zu erwerben. Die EU und USA sollten die Zentralbank gemeinsam warnen, dass, wenn sie ihre illegalen Aktivitäten nicht stoppt, sie selbst zum Ziel von Sanktionen werden kann. In der Zwischenzeit sollte das neue UN-Gremium, das mit der Aufgabe der Überwachung der Sanktionen betraut ist, beauftragt werden, über die Rolle der Bank bei der Hintergehung von vergangenen UN-Resolutionen zu berichten.

Ob Sanktionen wirksam sind oder nicht, hängt zu einem großen Teil vom Willen der EU ab, diese Schritte zu unternehmen. Aufeinander abgestimmte transatlantische Sanktionen unter Führung der USA und der EU mit der Unterstützung ihrer Verbündeten bieten die letzte und auch beste Chance, zwei schlechte Alternativen zu vermeiden: die iranische nukleare Infrastruktur zu bombardieren oder einzugestehen, dass Iran eine Atomwaffenstaat wird.

Stuart Eizenstat war Botschafter bei der EU in der Clinton-Administration und spielte eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der internationalen Sanktionspolitik.