Proteste gegen die Einladung des iranischen Botschafters Sheikh Attar zur Lehrerkonferenz
bei der Königin-Luise-Stiftung am 16.11.2009 in Berlin
Auf dieser Seite:
Informationen zum iranischen Botschafter Sheikh Attar
Offener Brief an die SchülerInnen, LehrerInnen der Königin-Luise-Stiftung
Zwei offene Briefe an die Leitung der Königin-Luise-Stiftung
Brief an das online Portal "Iran aktuell", das die STOP THE BOMB Proteste kritisiert
Was sich in der Zwischenzeit getan hat:
Aktualisierung vom 12.11.2009: Laut einer Kurzmeldung auf der Seite der Königin-Luise-Stiftung soll die Veranstaltung mit dem Botschafter nicht in den Räumen der Königin-Luise-Stiftung stattfinden. Eine Verlegung der Veranstaltung in einen - womöglich geheimgehaltenen - anderen Ort ändert selbstverständlich nichts am Skandal der Einladung des Botschafters. Weitere Informationen folgen bald an dieser Stelle. Bitte beachten Sie auch den unten dokumentierten weiteren Offenen Brief an die Stiftung.
Weitere Aktualisierung vom 12.11.2009: Königin-Luise-Stiftung erklärt auf Ihrer Website: "Aufgrund der Dt.-Iranischen Lehrerkonferenz findet am Montag 16.11.2009 für die 1. bis 4. Klassen kurzfristig ein Wandertag statt. Für alle anderen Schulzweige gilt dieser Tag als Studientag, so dass alle Schüler ab der 5. Klasse Zuhause bleiben." Auf Free Iran Now ist ein dazu passender Kommentar erschienen. Im Elternbrief der Königin-Luise-Stiftung (PDF) werden die Eltern mit keinem Wort darüber aufgeklärt, worin die Kritik am Auftritt des Botschafters besteht. Stattdessen ist die Rede von "möglichen Gefährdungen" durch die angemeldeten Demonstrationen. Diese Behauptung sind angesichts des völlig friedlichen Verlaufs sämtlicher Kundgebungen von STOP THE BOMB und iranischen Organisationen in Deutschland offensichtlich haltlos. Zynisch sind sie zudem angesichts der Tatsache, dass eines der Argumente gegen den Auftritt des Botschafters ist, dass KritikerInnen des iranischen Regimes durch Aktivitäten der Botschaft auch in Deutschland massiv gefährdet sind.
Da die Königin-Luise-Stiftung aus Angst vor der demokratischen Öffentlichkeit und friedlichen Protesten die Veranstaltung mit dem iranichen Botschafter an einen geheimen Ort verlegt und zugleich allen SchülerInnen einen Wander- bzw. Studientag verordnet hat, WIRD AM 16.11. KEINE PROTESTKUNDGEBUNG VON STOP THE BOMB STATTFINDEN. Mit Sicherheit werden wir aber unsere Kritik am skandalösen Verhalten der Königin-Luise-Stiftung und aller anderen beteiligten Personen und Organisationen in geeigneter Form in die Öffentlichkeit tragen.
Update 14.11.2009: Nach Distanzierung der Website Iran-Aktuell von unseren geplanten Protesten finden Sie unten einen Offenen Brief als Reaktion.
Update 17.11.2009: Heute morgen haben Mitglieder von Stop the Bomb 300 Exemplare eines Offenen Briefes verteilt, der unten dokumentiert ist. Auf einem Transparent war auf Deutsch und Persisch zu lesen "Freiheit statt Islamische Republik! Für einen säkularen und demokratischen Iran - Gegen jegliche Unterstützung des iranischen Regimes".
Nach Protestschreiben wurde der Termin sofort von der Seite des Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) e.V., www.diakonie-portal.de, entfernt. Wir begrüßen diese schnelle und klare Reaktion.
Der iranische Botschafter Sheikh Attar
Der iranische Botschafter in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, war in der Zeit von 1980 bis 1985 als Gouverneur in den kurdischen Gebieten des Iran für zahlreiche Morde und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, wie STOP THE BOMB aus zahlreichen exil-iranischen Quellen erfahren hat.
Zudem hat vor kurzem die NDR-Sendung Panorama (Video) berichtet, was schon lange bekannt ist: Dass das iranische Regime mit Hilfe der Botschaft iranische KritikerInnen auch in Deutschland verfolgt.
Die Einladung des iranischen Botschafters ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer des iranischen Regimes, ein Schlag ins Gesicht der Millionen mutigen IranerInnen, die im Iran unter Lebensgefahr gegen die mörderische Diktatur kämpfen. Auch in Berlin gibt es zahlreiche IranerInnen, die gegen das Regime kämpfen und viel über ihr Land berichten könnten. Statt sich mit ihnen zu solidarisieren, hofiert die Königin-Luise-Stiftung mitsamt allen an der Veranstaltung beteiligten Organisationen und Personen den Abgesandten Ahmadinejads und Khameneis. Durch die Einladung des Botschafters signalisieren die Veranstalter, dass Diktatur, Folter, Mord, Vergewaltigung, die Unterdrückung von Frauen, die Verfolgung von religiösen und ethnischen Minderheiten, die brutale Niederschlagung friedlicher Proteste, die Ermordung von Homosexuellen, das unbeirrt vorangetriebene Atomprogramm sowie die Leugnung des Holocaust und Vernichtungsdrohungen gegen Israel keine Konsequenzen haben. Die Einladung des Botschafters ist eine klare Ermutigung für die Machthaber, wie bisher weiterzumachen, und ein verheerendes Signal an die iranische Bewegung für Demokratie und Menschenrechte.
Nach Protesten von STOP THE BOMB und anderen Gruppen wurde im Juni 2009 in Leipzig bereits eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem iranischen Botschafter abgesagt.
Offener Brief an die Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern der Königin-Luise-Schule
Der hier dokumentierte Brief wurde am 17.11.2009 vor Unterrichtbeginn an 300 SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern der Königin-Luise-Schule verteilt.
Merkwürdiges geht vor an der Königin-Luise-Schule.
Da gibt es ein „Zeitzeugenprojekt ’40 -’45“, in dem sich Schüler/innen mit der Situation ehemaliger NS-Zwangsarbeiter beschäftigen, da nehmen Schüler/innen an einer Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht des 9. November 1938 teil, und auf der anderen Seite kooperiert die Schule mit dem iranischen Regime, dessen Präsident bekanntermaßen Wahlen fälscht und das eigene Volk zusammenschlagen lässt, nach Atomwaffen strebt, den Holocaust leugnet und Israel vernichten will. Wie passt das zusammen?
Wie auf zahllosen youtube-Videos zu sehen ist, kann sich im Iran kein Repräsentant des Regimes mehr öffentlich blicken lassen, ohne dass es zu Protesten kommt. Eindrucksvoll kann man das auf dem deutschsprachigen Blog von Ali Schirasi nachlesen (http://alischirasi.blogsport.de).
Doch die KLS wollte um wirklich jeden Preis mit dem Botschafter des iranischen Regimes in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, kooperieren und ihn auf einer deutsch-iranischen Lehrerkonferenz ein Grußwort sprechen lassen. Das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit, wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Öffentlichkeit, wurde umgangen, indem die Veranstaltung an einen geheim gehaltenen Ort verlegt wurde. Den Schüler/innen und Eltern wurde ein Brief ausgehändigt, in dem dreist behauptet wurde, von den angemeldeten Protestkundgebungen könnten „Gefährdungen“ ausgehen, weshalb am Montag keine Schule sei. Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte im Iran einsetzen und gegen den Terror und Antisemitismus des Regimes protestieren, werden von der KLS, namentlich Frank Olie, Heidi Kong und Matthias Ziegfeld also als Gefahr gesehen. Besonders verlogen ist der Brief auch deshalb, weil die tatsächliche „Gefährdung“ verschwiegen wird: Wie zuletzt das NDR-Magazin Panorama am 15.10.2009 berichtete, werden die Kritiker/innen des Regimes auch in Deutschland verfolgt – von Regime-Kräften, für die in Deutschland der iranische Botschafter und Gast der KLS verantwortlich ist!
Zudem vertritt Alireza Sheikh Attar nicht nur ein menschenverachtendes Regime; er hat, wie Exil-Iraner berichten können, persönlich schwere Verbrechen zu verantworten. Während seiner Zeit als Gouverneur in den kurdischen Gebieten im Iran kam es zu grauenhaften Massakern. Seinen Posten als Botschafter hat er sich durch jahrzehntelange mörderische Treue zum iranischen Regime verdient. So jemanden nicht zu hofieren, ist nicht nur eine Sache des Anstands. Für das Regime sind solche Veranstaltungen, so unwichtig sie uns auf den ersten Blick erscheinen mögen, wichtige Propagandaerfolge, die es durchaus für seinen Machterhalt zu nutzen versteht. Für die Opfer und mutigen Gegner/innen dieser Diktatur sind sie ein Schlag ins Gesicht.
Wir fragen:
- Warum fürchtet die Schulleitung so sehr, dass Schüler/innen und Eltern von der Kritik an der Schulpolitik erfahren, dass sie einen ganzen Schultag ausfallen lässt?
- Welches Demokratieverständnis haben eigentlich die Verantwortlichen dieser Schule? Ein anderes als das, welches in den Lehrplänen steht, bei Klassenarbeiten abgefragt und in zahlreichen Projekten eingeübt werden soll?
- Für welche politischen Interessen werden die Schülerinnen und Schüler hier instrumentalisiert?
Es hat jedenfalls den Anschein, als ob die Interessen der Schülerinnen und Schüler an dieser Schule vor einer dubiosen politischen Agenda zurückstehen müssten. Doch auch die Lehrerschaft ist betroffen. Im Juli diesen Jahres, als die Iraner nach den gefälschten Wahlen millionenfach für Freiheit und Demokratie auf die Straßen gingen und selbst Folter und Tod nicht mehr fürchteten, da haben sich auch die Lehrerinnen und Lehrer richtig verhalten. Sie haben eine Resolution verfasst, in der sie die volle Solidarität der KLS mit der Freiheitsbewegung erklärten. Diese Resolution sollte nicht nur veröffentlicht werden, sondern auch an einige Regierungs- und Senatsstellen gehen. Doch da die Schulleitung dieses Mal nicht eingeschritten war, schaltete sich nun, wie aus Schulkreisen berichtet wurde, das Auswärtige Amt ein und erklärte, dieser Text dürfe auf keinen Fall öffentlich werden. Die Schulleitung fügte sich.
Das sind nun wirklich schon fast Zustände wie in der „Islamischen Republik“. Und die KLS spielt eine unglückselige Rolle in einem, wie dieser Vorfall zeigt, sehr viel größeren Interessengeflecht irgendwo zwischen Iranischer Botschaft, Auswärtigem Amt, deutscher Industrie (z.B. MAN) und schließlich dem iranischen Regime selbst. Das Feigenblatt "kultureller Austausch" kann darüber nicht hinwegtäuschen. Ganz besonders nicht in dieser für den Iran und die internationale Sicherheit so entscheidenden Situation. Lehrerkonferenzen zu Themen wie „Effizientes Wohnen und energieeffiziente Lebensstile“ können die Zusammenarbeit mit dem Regimvertreter Sheikh Attar und die Ausgrenzung und Verleumdung demokratischer Proteste nicht legtimieren.
Wir hoffen, dass an der KLS in Zukunft noch mehr kritische Fragen gestellt werden. Wir, das ist die Kampagne Stop the Bomb, die sich mit prominenter Unterstützung gegen jede Unterstützung des iranischen Regimes und dessen gefährliches Atomprogramm einsetzt. Wir stellen uns – anders als die Verantwortlichen der KLS – auf die Seite der iranischen Freiheitsbewegung, die wir als Hoffnung betrachten, nicht als „Gefährdung“.
Wir appellieren an Sie und euch alle: Informiert euch selbst! Fordert eine offene Diskussion und Mitbestimmung über die Verbindungen eurer Schule zum iranischen Regime! Mischt euch ein! Setzt euch ein für Solidarität und Zusammenarbeit mit der Opposition im Iran und im Exil statt mit deren Henkern und Unterdrückern!
www.stopthebomb.net
Offener Brief an die Königin-Luise-Stiftung
Berlin, 12.11.2009
Sehr geehrte Damen und Herren der Königin-Luise-Stiftung,
Sie wollen am kommenden Montag eine Veranstaltung mit dem Botschafter der "Islamischen Republik" Iran, Ali Reza Sheikh Attar, durchführen.
Ist Ihnen bekannt, dass gestern, am 11. November der kurdische Aktivist Ehsan Fattahian vom iranischen Regime, dessen Vertreter bei Ihnen sprechen soll, ermordet wurde? Ist Ihnen bekannt, dass laut eines Berichts der New York Times mindestens 13 weitere Kurdinnen und Kurden in den Todeszellen der iranischen Foltergefängnisse sitzen? Ist Ihnen bekannt, dass Ihr Gast am Montag selbst für die Ermordung vieler Menschen im Iran, besonders in den kurdischen Gebieten, in denen er nach der Revolution ein Schreckensregiment errichtete, verantwortlich ist? Haben Sie Zweifel an den unwidersprochenen Berichten aus exil-iranischen Quellen über die Verbrechen Attars, durch die er sich für die Funktion qualifiziert hat, in der er bei Ihnen geladen ist? Ich darf hier aus einem von mir verfassten Artikel zitieren:
"In den Jahren 1980 bis 1985 war er Gouverneur der Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan. »Die Sicherheitskräfte in Kurdistan begingen unter Sheikh Attar zahlreiche Verbrechen. Hunderte kurdische Aktivisten wurden gehängt oder auf offener Straße erschossen. Er beobachtete persönlich mehrmals, wie Pasdaran-Einheiten Menschen ermordeten und ihre Dörfer zerstörten. So konnte er seine Loyalität dem Regime gegenüber beweisen und weiter aufsteigen«, sagt Hiwa Bahrami, der Repräsentant der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (DPKI) in Österreich, der Jungle World. »Ali Reza Sheikh Attar und der derzeitige iranische Präsident Ahmadinejad waren beide in den kurdischen Gebieten bei den Pasdaran aktiv, den iranischen Revolutionsgarden«, berichtet der 1987 aus dem Iran geflohene Autor Ali Schirasi. »Seine Ernennung zum iranischen Botschafter in Deutschland im Oktober 2008 ist Teil der von Ahmadinejad vorangetriebenen Strategie, möglichst viele wichtige Posten mit Pasdaran-Mitgliedern zu besetzen. Attar soll von Berlin aus die Arbeit der übrigen iranischen Botschaften in Westeuropa koordinieren«, führt Schirasi weiter aus."
Ist Ihnen bekannt, dass zu den Aufgaben der iranischen Botschaft in Deutschland, also besonders von Sheikh Attar, die Verfolgung der iranischen Flüchtlinge und Regime-KritikerInnen in Deutschland und Europa gehört? Haben Sie den Bericht der NDR-Sendung Panorama vom 15.10.2009 gesehen, in dem über die Verfolgung von iranischen Menschenrechts- und Demokratie-AktivistInnen in Berlin berichtet wird? Ist Ihnen bewusst, dass erst vor kurzem hochrangige Vertreter der iranischen Revolutionsgarden, die zusammen mit den Basiji-Milizen für die Verfolgung, Folterung und Ermordung zahlloser iranischer Oppositioneller verantwortlich sind, in iranischen Medien kaum verhohlen mit der weiteren Verfolgung iranischer AktivistInnen auch im Ausland gedroht haben? Ist Ihnen bewusst, dass Sheik Attar, den Sie am kommenden Montag begrüßen möchten, dabei eine Schlüsselrolle zukommen wird?
Zu schlechter Letzt: Auf Ihrer Website haben Sie für eine "Schüler-Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht des 9. November 1938" geworben, die am vergangen Montag stattfand. Das Motto der Veranstaltung war "Junge Menschen nehmen Stellung gegen Antisemitismus, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit". Wie genau erklären Sie Ihren Schülerinnen und Schülern, dass für den darauf folgenden Montag der Vertreter eines Regimes in Ihre Schule eingeladen wird, dessen führende Vertreter immer wieder den Holocaust geleugnet, antisemitische Hetze verbreitet und dem jüdischen Staat Israel mit der Vernichtung gedroht haben? Und das seit Jahren gegen die im Iran lebenden Baha'i eine regelrechte Pogromstimmung anheizt, ihre religiösen Würdenträger in Schauprozessen demütigt und ihre Friedhöfe schändet?
Da es sich um eine Angelegenheit handelt, die neben der allgemeinen Öffentlichkeit sicher auch Ihre SchülerInnen und deren Eltern interessiert, werde ich mir erlauben, Ihre Antwort ebenso wie deren Ausbleiben in geeigneter Weise öffentlich zu dokumentieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Jonathan Weckerle
P.S.: Kurz vor dem Absenden sehe ich die Tickermeldung "In der Königin Luise Stiftung findet die Deutsch-Iranische Lehrerkonferenz NICHT statt" auf Ihrer Seite. Sollte diese Formulierung etwa das bedeuten, was die etwas gestelzte Formulierung andeutet, dass die Veranstaltung nämlich genau wie geplant mit Ihrer und des Botschafters Beteiligung stattfindet, nur an einer geheimen Örtlichkeit? Haben Sie etwa Angst vor den angekündigten Protesten? Ziehen Sie sich etwa vor der demokratischen Öffentlichkeit in die schräg gegenüber Ihrer Stiftung gelegene Terrorzentrale zurück, in den Schutz der dort stationierten Revolutionswächter? Auch hier erbitte ich freundlichst Aufklärung.
Offener Brief an die Königin-Luise-Stiftung
31.10.2009
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Befremden und einigem Entsetzen habe ich die Ankündigung zur "Deutsch-Iranischen Lehrerkonferenz" gelesen, die Sie am 16. November in Berlin auszurichten gedenken.
So sehr ich Ihre gute Absicht anerkenne, eine Kooperation mit anderen Ländern und Kulturen anzustreben, so sehr widerstrebt es mir auch, im Geringsten zu verstehen, was Sie dazu getrieben haben mag, ausgerechnet in der gegenwärtigen politischen Situation einen Austausch mit Repräsentanten und Apologeten des iranischen Regimes zu suchen.
Neben der für sich schon skandalösen Tatsache, dass Sie eine Konferenz ausrichten, in der mit keinem Wort die systematische Verfolgung von Homosexuellen, Minderheiten und Oppositionellen in der islamischen Republik Iran erwähnt wird, in der über den gegen Männer und Frauen ausgeübten Tugendterror geschwiegen wird, um stattdessen über den religiösen Einfluss auf Nachhaltigkeitswissenschaften zu referieren, laden Sie auch noch ausgerechnet den iranischen Botschafter Herrn Alireza Sheikh Attar ein, um die Konferenz zu eröffnen.
Allerspätestens an diesem Punkt wird eine ohnehin schon fragwürdige Konferenz untragbar, weshalb ich Sie inständig bitten möchte, Ihre Entscheidung, diese Konferenz auszurichten, noch einmal zu überdenken.
Sie verschaffen damit einem Regime die Legitimation, dass gerade erst vor wenigen Wochen wieder massiv gegen seine eigene Bevölkerung vorgegangen ist. Sie erkennen eine Regierung an, die nicht erst seit kurzem, sondern seit geraumer Zeit Israel mit der Vernichtung droht und wiederholt durch Holocaustleugnung aufgefallen ist.
Und, in Bezug auf Ihr Thema: Sie legitimieren ein Bildungssystem, das nicht darauf ausgerichtet ist, seine Schüler und Schülerinnen zu Mündigkeit, Toleranz und eigenständigem Denken zu animieren, sondern sie zur Akzeptanz vernunftwidriger Normen zwingt.
Sie verraten damit nicht nur die Grundsätze Ihrer eigenen Stiftung, insofern Ihnen wirklich an Erziehung gelegen ist, sondern auch - und das ist sicherlich schlimmer - alldiejenigen Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen des Iran, die sich den Wunsch nach Freiheit von Revolutionsgarden und Tugendterror bewahrt haben - Menschen also, die eine Bildung wollen, die das Wissen um die eigene Menschlichkeit als zentralen Bestandteil beinhaltet, statt den Aufbau von Windkraftanlagen.
Sie verraten all jene - und insofern bitte ich Sie, nicht darauf zu verweisen, dass ein Dialog mit den iranischen Menschen notwendig sei, denn das ist er so sehr, wie ein jeglicher Dialog mit ihrer politischen Führung sich verbittet - die tatsächlich keine Stimme haben, die hier gehört wird.
Man wird nichts hören vom mutigen Kampf der Frauen des Iran gegen den Schleierzwang, man wird nicht reden über das Schicksal der Homosexuellen, die ja offiziellerweise im Iran nicht einmal existieren. Keine dieser Menschen sind eingeladen zu einer Konferenz, die für sich in Anspruch nimmt auch Begegnung sein zu wollen.
Stattdessen begegnet man einem Mann - Sheikh Attar - der iranischen Oppositionellen zufolge nicht nur für das Massaker an den iranischen Kurden verantwortlich ist, sondern Berichten der ARD zufolge zudem in seiner Position als Botschafter mit Verantwortung trägt für die Verfolgung iranischer Oppositioneller in Deutschland durch die islamische Republik Iran.
So ungewöhnlich es also auch wäre in den letzten Tagen eine solche Konferenz abzusagen, scheint mir das doch für die Königin-Luise-Stiftung und alle anderen Beteiligten der beste Weg zu sein, das Gesicht zu wahren. Man befindet sich ohnehin in guter Gesellschaft - schon die Heinrich Böll Stiftung sagte unlängst aufgrund massiver Proteste eine Veranstaltung mit dem iranischen Botschafter ab, da ein freundschaftliches Gespräch mit einem Menschen der für Verbrechen in einem solchen Ausmaß verantwortlich ist, sich beim besten Willen verbittet.
Es werden sicherlich Proteste stattfinden, die die Veranstaltung problematisieren und in der Öffentlichkeit thematisieren. Einem der menschenfeindlichsten Regime der Welt eine Bühne zu bieten, heißt nicht weniger als seine Politik zu akzeptieren. Die Königin-Luise-Stiftung muss sich diesbezüglich überlegen, auf wessen Seite sie steht. Entweder auf derjenigen eines Regimes, das systematisch foltert, mordet und unterdrückt. Oder auf derjenigen der Menschen des Iran, die wieder frei von diesen unwürdigen Zuständen sein wollen, in einem Land, das nicht unaufhaltsam auf seine internationale Isolation und im schlimmsten Falle sogar Krieg zusteuert. Ein Drittes gibt es hier unglücklicherweise nicht und wie ersteres mit "christlichen Werten" zu verbinden wäre, bleibt mir rätselhaft.
In der Hoffnung auf baldige Antwort und darauf, dass Sie ihre Entscheidung die Konferenz auszurichten noch einmal überdenken -
Konstantin Bethscheider.
PS: Dies ist ein offener Brief, der an die Königin-Luise-Stiftung, das diakonische Werk und diverse Teilnehmer bzw. Teilnehmerinnen der Konferenz versendet wird. Eine Weiterleitung an die Presse bzw. Veröffentlichung behalte ich mir vor.
Offener Brief an "Iran-Aktuell"
14.11.2009
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir freuen uns, dass Sie am 16. November gegen den Auftritt des iranischen Botschafters Sheikh Attar auf der „Deutsch-Iranischen Lehrerkonferenz“ an der Königin-Luise-Stiftung in Berlin demonstrieren wollen, wie sie auf http://www.iran-aktuell.de/ bekunden.
Weniger erfreulich finden wir allerdings das folgende von Ihnen verbreitete Statement:
„Andere Organisationen, wie StoptheBomb haben auch zu einer Protestaktion aufgerufen. Allerdings lehnen wir eine gemeinsame Aktion ab, weil diese Organisation eine merkwürdige Art der Solidarität mit den Iraner zeigt, in dem sie nur israelische Fahnen zeigt....was das dann mit Solidarität mit den friedlichen Demonstranten im Iran zu tun hat, erschließt sich uns nicht.“
Wir fragen uns, warum es angeblich so schwer ist, zu verstehen, was der Zusammenhang zwischen dem Protest gegen das iranische Regime und dem gegen dessen Antisemitismus und Antizionismus sein soll.
Stop the Bomb steht unzweideutig ein für die „Unterstützung aller Kräfte im Iran und Exil, die für Menschenrechte, individuelle Freiheit, Geschlechtergleichheit und eine säkulare Demokratie eintreten“, was in der Konsequenz die Abschaffung der Islamischen Republik bedeutet. Wir haben bereits im Frühjahr erfolgreich gegen eine „Diskussionsveranstaltung“ mit Attar protestiert, die die Heinrich-Böll-Stiftung in Leipzig daraufhin absagen mußte.
Die Leugnung des Holocaust sowie Vernichtungsdrohungen gegen Israel stehen im Zentrum der Ideologie dieses Regimes. Wer sich gegen dieses Regime stellen will, kann nicht zu seinen ideologischen Grundpfeilern schweigen.
Unser Bündnis hat den Zusammenhang des Atomprogramms, der antiisraelischen Hetze und der Repression gegen alle, die der Expansionspolitik der Islamischen Republik im Weg stehen klar in ihrer Petition „STOP THE BOMB! Keine Geschäfte mit dem iranischen Regime!“ dargelegt.
Zahlreiche Mitglieder der Stop the Bomb-Koalition haben in ihren Reden und Artikeln darauf hingewiesen, „dass das Schicksal des Iran und die Menschenrechte der iranischen Bevölkerung mit dem Schicksal der Juden und Israels untrennbar verbunden sind“ da in der Ideologie des Regimes „Antisemitismus, Menschenrechtsverletzungen und die kriegerische Expansion nach aussen eine untrennbare Einheit“ bilden, so Dr. Kazem Moussavi in seinem Beitrag zu dem Buch „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“ (Wien 2008, darüberhinaus sei hier pars pro toto auf Texte von Fathiyeh Naghibzadeh und Javad Asadian, Simone Dinah Hartmann und Stephan Grigat verwiesen).
Am meisten wundert uns Ihr Unverständnis allerdings angesichts der Ereignisse, die sich im Iran abspielen. Dort hat ein Großteil der Demonstranten in den Parolen gegen das Regime längst klargestellt, dass man sehr wohl weiß, was die ideologischen und strategischen Grundpfeiler der Islamischen Republik sind: Geschlechterapartheid, Antisemitismus, Antiamerikanismus und das Atomwaffenprogramm des iranischen Regimes.
Die iranischen Frauen waren von Anfang an das radikalste Element im Kampf gegen die Islamische Republik. Auf „Tod Israel“ und „Tod Amerika“ antworten die Demonstranten mit Parolen gegen Russland und China, deren Regierungen zu den Hauptunterstützern Ahmadinejads gehören. Den islamistischen Expansionismus des Regimes konterten Sie mit „Nein zu Gaza, Nein zu Libanon, mein Leben für den Iran“ und „Ein grün erblühender Iran braucht keine Atombombe“. Erschließt sich Ihnen dieser Zusammenhang immer noch nicht?
Da die Veranstaltung nicht in der Königin-Luise-Stiftung stattfinden wird und die Schülerinnen und Schüler dort kurzfristig für einen "Wandertag" freibekommen haben, werden wir am Montag dort nicht demonstrieren. Wir freuen uns für zukünftige Aktionen aber auf die Beteiligung aller, die es ernst meinen mit dem Kampf gegen das barbarische Regime, dessen Vertreter in Deutschland Sheikh Attar ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Benl für STOP THE BOMB
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